Es wäre allerdings falsch, so der Internet-Experte Udo Nadolski, mit staatlichen Online-Schnüffeleien zu reagieren und Zensurregeln einzuführen, wie es die südkoreanische Regierung plant: “Das wäre der erste Schritt in die Unfreiheit. Da das Internet ein öffentliches Medium ist, sollten aber die gleichen Regeln gelten wie bei den traditionellen Medien. Die Verlage sind juristisch verantwortlich für die Verlautbarungen ihrer Redakteure. Gleiches muss auch für die Portalbetreiber gelten”, fordert Nadolski, Chef des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash.
Der Silicon Valley-Unternehmer Andrew Keen sieht das genauso. “Solange die Betreiber von Websites und Blogs nicht für deren Inhalte zur Rechenschaft gezogen werden können, haben sie kaum einen Anreiz, die Informationen, die bei ihnen ins Netz gestellt werden, zu hinterfragen oder zu bewerten”, sagt Keen, Autor des kürzlich veröffentlichten Buches “Die Stunde der Stümper – Wie wir im Internet unsere Kultur zerstören” (Hanser Verlag). Im Web könnten sich Falschinformationen, selbst wenn sie nur aus einer einzigen Quelle stammen, mit furchterregender Geschwindigkeit verbreiten. Das Internet sei mit falschen Identitäten gesättigt: mit falschen Bloggern, falschen Profilen auf MySpace, falschen Starlets auf YouTube, falschen E-Mail-Adressen und mit falschen Rezensenten auf Sites wie Amazon, von denen einige eindeutig einen persönlichen Rachfeldzug führten.
Die Anonymität sei der Humus für Meinungswillkür, so Wolf Lotter, Redakteur von brand eins. “Derlei ist nicht schützenswert, sondern gefährlich. Anonymität fördert die Feigheit und stützt alle jene, die gegen eine offene Gesellschaft sind. Eine offene Gesellschaft erträgt unterschiedliche Meinungen und Positionen. Feigheit aber ist die Vorhut der Tyrannen, sie ist ihre stärkste Legion”, sagt Lotter. Große Portalanbieter dürften es den Netz-Hetzern nicht zu einfach machen, fordert Harvey-Nash-Manager Nadolski: “Wer sich registriert, muss seine wahre Identität nachweisen. Das ist bei Online-Geschäften eine ganz normale Sache und sollte auch für die Web-2.0-Welt gelten. Dann ist zumindest ein erster Schritt für mehr Offenheit getan. Man bekommt das Problem nie vollständig in den Griff. Es gibt im Cyberspace einfach zu viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.”
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