Archiv enthüllt die Fehler der Dotcom-Ära
Nach dem Platzen der Dotcom-Blase haben die meisten Menschen versucht, das Desaster so schnell wie möglich zu vergessen. Aufgehoben wurden – wenn überhaupt – lediglich PR-Gags wie die Mousepads von Bikini.com. Nicht so US-Professor David Kirsch: Er hat Dokumente über Dotcom-Schicksale gesammelt, um der nächsten Generation von Unternehmensgründern zu helfen.
Der Wissenschaftler Azi Gera hat mit Hilfe des Archivs derweil bereits erste konkrete Tipps für Unternehmensgründer der neuen Generation ausgearbeitet, die er im Rahmen einer Doktorarbeit beschreibt. Demnach hatten Dotcom-Gründer bei der Suche nach Geldgebern vor allem dann Erfolg, wenn sie gut vernetzt waren. Nach seinen Untersuchungen hat es kein einziger Unternehmensgründer geschafft, Risikokapitalgeber für sich zu gewinnen, wenn lediglich ein Business-Plan eingereicht wurde. Diejenigen jedoch, die persönliche Kontakte zur Venture-Capital-Szene hatten oder persönlich vorgestellt wurden, bekamen immerhin in fünf Prozent der Fälle Startkapital.
Schlussfolgerung für Unternehmensgründer von heute: “In der heutigen Wirtschaft, spielen soziale Netzwerke eine noch größere Rolle”, sagt Gera. Archivgründer Kirsch weist außerdem darauf hin, dass vor allem solche Unternehmen das Platzen der Dotcom-Blase überlebt haben, die das damals vorherrschende Geschäftsmodell ‘Get Big Fast’ ignoriert haben. Dabei ging es vor allem darum, einen Markt so früh wie möglich zu identifizieren, um dann so schnell zu wachsen, das möglich Wettbewerber keine Chance hatten, sich zu etablieren.
Viele Dotcom-Gewinner haben sich dagegen laut Kirsch auf so genannte “Mikro-Nischen” konzentriert. Märkte, in denen sich zwar nicht auf die schnelle Hunderte Millionen Dollar verdienen ließen, aber dennoch reelle Wachstumschancen existierten. Beispielsweise das Unternehmen WrestlingGear.com, das 1998 damit begann Wrestling-Ausrüstung für Amateure an High-School-Schüler zu verkaufen. Heute verdient die Firma rund 1,4 Millionen Dollar im Jahr.
Der Zugang zum Dot Com Archive war in den Gründerjahren frei – heute müssen sich Interessenten registrieren und einer Vertraulichkeitserklärung zustimmen. Rund um das Archiv haben sich inzwischen neue Angebote entwickelt. Die Firma YouNoodle aus San Francisco zum Beispiel bietet auf Basis der Dot-Com-Archive-Datenbank einen ‘Start-up-Propheten’, der den künftigen Marktwert einer Firma vorhersagt.