Die Business Intelligence vom Franz
Ganz schwierig wird das heuer, die Sache mit der Wirtschaft. In der Politik sind sie sich denn auch alle völlig uneins.
Die Sozialdemokraten möchten einen “Deutschlandfond”, also öffentliche Investitionen – und niedrigere Abgaben. Die Union hingegen möchte “Mehr Netto vom Brutto”, also niedrigere Abgaben – und öffentliche Investitionen.
Erschwert wird das Ganze noch durch die CSU, die das gleiche will, aber anders und außerdem für sich reklamiert, vor der Bundeskanzlerin gewusst zu haben, was jene zu wollen hat. – Es ist halt richtig kompliziert!
Da wär’s doch schön, einen Wirtschaftsexperten bei der Hand zu haben. Aber keinen, der glaubt, die Wahrheit gepachtet zu haben, bloß weil er Unsinn redet und gegenteilig heißt. Sondern einen wirklichen.
Es gibt ihn: den Franz. Der hat sie gepachtet. – Nein, nicht die Wahrheit, sondern die Wirtschaft, die am Loisachplatz in München.
Der Franz zerbricht sich nie den Kopf über Konjunkturprogramme. Er ist eins.
Über die Feiertage etwa hat die Anschaffung eines WLAN-Access-Points angestanden. Seinetwegen (zwengs dem Franz) nun kauft man nicht nur dieses Gerät, sondern sich hernach auch noch eine Halbe Bier in seiner Wirtschaft.
Denn der Franz nutzt sie alle, diese neuen ökonomischen Trends, und zwar lange, bevor ihre Namen erfunden sind. Das One-to-One-Marketing zum Beispiel: Kaum, dass man seine Wirtschaft betreten hat, kommt er und stellt einem ein Helles hin – kein Dunkles und kein Weißbier, sondern eine Halbe Hell, weil er von jedem einzelnen seiner Gäste weiß, was der mag.
So stellen sich doch alle das One2One vor, alle bis auf den Franz. Denn der weiß bis heute nicht, was das sein soll. Weil’s ihm wurscht ist.
Das wortreiche Marketing der anderen hingegen könnte zu einem großen Problem der bundesdeutschen Wirtschaft im Jahr 2009 werden: Vielleicht würde man ja wirklich tun, was heuer alle von einem wollen, und mehr kaufen, wenn einen diese ganzen Verkaufsstrategen nicht ständig daran hinderten…
“Machen Sie dem Kabelwirrwar(r) in Ihrem Heim- oder Büronetzwerk ein Ende”, steht auf der WLAN-Packung (orthographisch korrekte Schreibweise jeweils in Klammern). Der Access-Point eigne “sich ideal zur drahtlosen Übertragung großer Dateien und Streaming-Daten”.
Was glauben die eigentlich, warum man sich die Schachtel aus dem Regal beim Discounter gegriffen hat? – Weil sie sich so gut anfühlt?
Viel interessanter wäre es doch beispielsweise gewesen, vorab zu erfahren, ob das Gerät eine IP-Adresse über DHCP (Dynamic Host Configuration Protocol) akzeptiert oder eine feste benötigt. In letzterem Fall hätte man eben ein anderes genommen, weil’s sonst zu kompliziert wird im digital Home – daheim.
Statt dessen aber wird einem nahegelegt: “Schöpfen Sie sämtliche Vorteile der drahtlosen Netzwerktechnologie aus.” – Nur zu diesem Zweck hat man doch diesen Laden betreten. Und trotzdem meinen diese Schlauberger, einen noch dazu auffordern zu müssen.
Aber so sind sie halt, diese Vermarkter. Sie können nicht anders. Es ist ein Reflex. Die versuchen, einen sogar noch zu einem Kauf zu überreden, zu dem man längst entschlossen ist. Mit anderen Worten: Sie sind chronisch zu spät dran!
Der Franz hingegen arbeitet stets just-in-time. “No oane?” fragt er, wenn die erste Halbe zur Neige geht, und schenkt gleichzeitig die zweite ein. Denn er weiß nicht nur, was seine Gäste trinken, sondern auch wie viel.
Der Mann ist die personifizierte Business Intelligence. Allerdings brächte es nichts, ihm das mitzuteilen, weil er’s nicht verstünde und es ihm außerdem gleichfalls wurscht wäre.
“Ist ja gut”, hört er seinen Gast stöhnen: Die Schachtel ist geöffnet. Und die Gebrauchsanleitung beginnt wie so oft mit “Glückwunsch!” sowie einer längeren Aufzählung der Vorteile, die es mit sich bringt, vom Hersteller des Access-Points zu kaufen.
“Blickst es net?” frozzelt der Franz, “schreibst bloß immer recht g’scheit drüber!” – Lediglich das erreichte hohe Maß an Kundenbindung und der Anblick der noch fast vollen Halben hindert einen daran, angesichts einer derart unangebrachten Bemerkung zum Wirtschaftsflüchtling zu werden.
Tatsächlich enthält die Gebrauchsanleitung zur DHCP-Frage lediglich den Hinweis: “Gehen Sie sicher(,) das(s) eine richtige IP an ihrem (Ihrem) PC vergeben wurde.” – Ach so.
Aber der Franz hat’s grad’ nötig, sind doch seine eigenen IT-Kenntnisse eher rudimentärer Natur: Computer seien “wie Frau’n”, philosophiert er, “faszinierend sans scho, aber Anfassen bringt immer Ärger mit sich.”
Man sieht’s ihm an: Eigentlich will er jetzt noch über seinen deplazierten Witz lauthals lachen, wovon ihn allerdings das Auftauchen der Wirtin abhält.
Jene wird von den meisten Gästen “Kathi” genannt. Angesichts ihrer aktuellen Gemütsverfassung würde man sie gegenwärtig jedoch höchstens “Katharina” rufen – wenn überhaupt. Sie bittet ihren Gatten, doch nicht in politisch unkorrekter Weise daherzureden, sondern sich statt dessen lieber hinter dem Tresen nützlich zu machen – oder, wie sie es ausdrückt: “Jetzt schleichst di abba scho!”
Viele kleingedruckte Seiten mit Sicherheitshinweisen und zu den Gewährleistungsbedingungen sind der Packung noch beigelegt. Letztere laufen darauf hinaus, dass der Hersteller, von dem zu kaufen, so vorteilhaft ist, gar nicht dafür verantwortlich sein kann, wenn der Access-Point nicht funktionieren sollte. Man möge sich das Kleingedruckte “gründlich” durchlesen, heißt es.
Würde man stets gründlich durchlesen, was gründlich durchzulesen, man aufgefordert wird, man fände nie die Zeit, IT-Geräte zu installieren und anschließend weitere zu kaufen, geschweige denn, sich inhaltsschwerer Literatur zuzuwenden.
Wie viele Wörter mögen es wohl sein, die jährlich auf juristischen Beipackzetteln zu elektronischen Geräten in die Schachtel gesteckt werden, fragt man sich und nimmt einen großen Schluck. Und wie viel überflüssige stehen außen drauf?
Der Franz hingegen macht nie viele Worte. “No oane?” fragt er jetzt.
“No oane!”