Opatronik für die Enkel
Viel Innovatives gab’s ja wirklich nicht zu bestaunen auf der Consumer Electronics Show (CES) heuer in Las Vegas. Bis auf ein neues Wort: “Eldertronics”. Hightech für Menschen über 50 ist damit gemeint.
Auch der Spiegel schreibt darüber. Das ist das Blatt, das früher, als die 68er noch unter 68 waren, so schön respektlos mit den Mächtigen im Lande umgesprungen ist. – War allerdings wohl bloß jugendlicher Überschwang.
Inzwischen ist der Spiegel ebenfalls in die Jahre gekommen, besser: die Redaktion wurde ganz offenkundig von einer kollektiven adoleszenten Regression erfasst. Vorlaut zu sein, trauen sich die Schreiber nur noch gegenüber vermeintlich hilflosen Altchen und übersetzen deshalb das neue Wort aus Las Vegas mit “Opatronik”.
Das wären dann also Gadgets für Leute in dem Alter, wo man sich über ihre Gesundheit Sorgen macht und ihnen den Umgang mit moderner Technik oft nicht mehr so recht zutraut. Leute im Alter von Steve Jobs beispielsweise. Der wird nächsten Monat 54.
Und er lässt bei öffentlichen Auftritten seine Blutdruckwerte hinter sich an die Wand projizieren. Um die Börse zu beruhigen, die sich fragt, wie’s weitergehen soll, wenn er mal nicht mehr ist – wenn er mal nicht mehr CEO von Apple ist. Keinem der nachwachsenden Rotzlöffel trauen die Aktionäre offenbar Jobs’ Job zu.
Nun kann man gegen den ja sagen, was man will. Aber niemand wird behaupten wollen, der Mann könne nicht mit einem iPod umgehen.
Allein schon deshalb wird Eldertronics wohl ein ganz schwieriges Geschäft. Leute, die vor ihrem Chef in den 50+-Jahren kuschen, müssen an eine Altersgruppe verkaufen, gegenüber der sie sich ansonsten eher mitleidig verhalten. Denn es handelt sich ja nicht um ihren Chef, sondern bloß um Leute, die so alt sind wie der.
Und überhaupt fragt man sich, was das denn eigentlich sein soll, diese Opatronik. – Eine Radiosendung über die Feiertage gab dazu Auskunft. Während dieser Zeit kümmert man sich ja gerne auch mal um Opa und Oma. Um Senioren und IT ging’s.
Die Moderatorin hatte ihre Sprechweise von jugendlich-fröhlich auf langsam und tantig umgeschaltet und ließ viele jammernde Altchen zu Wort kommen. Eine meinte – mehr schuldbewusst als anklagend – Gebrauchsanweisungen sollten doch so geschrieben sein, “dass jeder Idiot sie versteht”.
Es war hörbar, dass diese wenig schmeichelhafte Bezeichnung auf sie selbst gemünzt war. “Nu, aber”, möchte man da doch ausrufen, “dem ist doch so: zumindest die Idioten, die sie verfasst haben, verstehen sie.” – Andere Leute hingegen, egal welchen Alters, in aller Regel nicht.
Was die Jugend hier älteren Jahrgängen voraus hat, ist allenfalls ihre Unbekümmertheit: Sie ignoriert unverständliches Geschreibsel und probiert statt dessen einfach aus. Nur deshalb hat sie ein Problem weniger. Denn eine wirre Gebrauchsanleitung, um die man sich nicht kümmert, stellt schließlich keins dar.
Über “so viel Englisch” klagte ein anderer Hörer. – Das stimmt schon, hat aber nichts mit Elektronik zu tun.
Mit “Cut and go” wirbt etwa der Friseur – der, der seinen Laden neben “Second-Hand and more” hat. Aus altersbedingter Bedächtigkeit überlegt man sich da vielleicht schon, was man denn anderes tun sollte, wenn man sich das dünne Haar hat schneiden lassen. – Etwa im Friseursalon warten, bis es wieder nachgewachsen ist?
Die Bundesbahn bietet mittlerweile Kurse an, in denen verunsicherte Altchen lernen können, wie man einen Fahrkartenautomat bedient. Dafür gibt’s auch ein englisches Wort: “Usability”. Und Unternehmen, die diese hohe Schule der Kundenfreundlichkeit nicht beherrschen, versuchen halt, statt der Schnittstelle zum Kunden, den Kunden zu verändern.
“Get less!” hieß dann noch ein Slogan auf der CES. Das richtet sich gegen die verwirrende Funktionsvielfalt der meisten Gadgets. Diese bräuchten doch wirklich nicht alles zu können, sondern nur das, was sie müssen, dafür aber richtig.
Das also ist dann wohl Eldertronics: Verständlichkeit und Übersichtlichkeit. Muss man wirklich alt sein, um sowas zu mögen?
Aber egal. Wenn eine bessere IT wirklich nur mit dem “Bapperl” Eldertronics zu haben ist, dann nimmt man auch das in Kauf. Es ist ja nicht wegen uns Altchen. Wir stellen schließlich keine Ansprüche mehr.
Wir denken – wie es sich gehört – nur noch an die kommenden Generationen. Unsere Kinder und Kindeskinder sollen es schließlich mal besser haben.