Stilfragen
Zu den eigenwilligsten Begriffen, mit denen man es in der Arbeitswelt zu tun bekommt, gehört “Führungsstil”.
Lidl: Big Brother in Charity-Manier
Avantgarde und Massengeschmack sucht wiederum die Lidl-Kollektion zu versöhnen. Die Kreationen aus Neckarsulm spielen mit üppig aufgelegten Zitaten aus der Öko-Mode des vergangenen Jahrhunderts. Das Flair von Nachhaltig- und Ganzheitlichkeit umhüllt Laufsteg und die Schlange vor der Kasse.
Ein Highlight aus der aktuellen Präsentation, auf das sich sofort die Objektive aller Videokameras richteten: Lidl wird Fördermitglied im Bundesverband Deutscher Detektive, um “anerkannte Qualitätsstandards” “nachhaltig” zu “unterstützen” als “ein Bestandteil des ganzheitlichen Datenschutz- und Sicherheitskonzeptes” (Pressemitteilung vom 17.10.2008).
Der Lidl-Look muss stets konsequent durchgestylt sein. Im selben Öko-Stil wirbt Lidl auch für Fischkonserven und Magerquark.
Mode provoziert, und sei es nur den Blick zurück, den Retro-Look: Bevor dieses heute unerlässliche sprachliche Accessoire stilbildend wurde, war “nachhaltig” nur als Attribut von “Ausbeutung” populär. Einen Gewerkschaftssticker zur Lidl-Fashion zu tragen, gilt unter Mode-Schöpfern in Neckarsulm allerdings als verpönt.
Deutsche Bahn: Überwachung nach Konzernherrenart
Mehr den konservativen Geschmack spricht das Modell Hartmut an. Es signalisiert Führungsstärke und Durchsetzungswille. Die Hemdsärmel werden daher stets gut sichtbar hochgekrempelt getragen.
Für den Überwachungstyp à la Mehdorn verbietet es sich, mit Argumenten zu protzen. Vor allem wenn gute vorhanden sind, sollten diese sorgsam kaschiert werden. Das DB-Top-Model allerdings kommt nie in eine derartige Verlegenheit.
“Managerinnen sollten vorsichtshalber morgens etwas eher aufstehen, damit sie Zeit haben(,) zu überlegen, was sie alles nicht anziehen sollten”, empfehlen die Mode-Ratgeber vom Jobportal für “erstklassige Bewerber”. Harmut Mehdorn braucht das nicht. Erstens hat er derzeit noch einen Job, ist also kein Bewerber.
Und zweitens weiß er ganz genau, was er sich nicht anziehen mag, den Schuh, den ihm irgendwelche Mode-Kritiker im Business-Segment – vulgo: Wirtschaftsjournalisten – hinhalten, beispielsweise. “Googeln Sie das selbst nach”, ist ein Satz im rustikalen DB-Style, gesprochen zu einem geschmacklosen Frager auf der Pressekonferenz vor einer Woche. Jener wollte wissen, was der Unterschied zwischen der Überprüfung von 173.000 Bahnbediensteten und einer Rasterfahndung sei.