Wiki, Willi und die Wirtschaft
Ab nach Canossa, Ihr Loser! Asche aufs Haupt und dann Abbitte leisten!
Gut, da spielt auch etwas professioneller Neid mit. Denn elegant erschien das zunächst ja schon, wie die Macher der Bildzeitung ihr Problem gelöst haben.
Der neue Wirtschaftsminister sollte auf die Titelseite. Aber was schreiben – über ein unbeschriebenes Blatt?
Beispielsweise: “Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg – Müssen wir uns diesen Namen merken?” So hat Bild am Dienstag aufgemacht.
Inzwischen steht fest: Wir müssen nicht! Denn der Mann heißt gar nicht so. Beim Blatt mit den unsäglichen, manchmal aber auch unvergesslichen Headlines allerdings hätte man’s besser wissen müssen.
Denn wie formulierte Bild 2005 so gefällig? – “Wir sind Papst!” Was nach den jüngsten Ereignissen im Vatikan aber nur heißen kann: Wir sind nicht unfehlbar.
Und zu uns – zu uns Schreibern – gehört die Wikipedia, die eben auch nicht unfehlbar ist. Dort kupfern wir gerne ab, die Bild-Redaktion beispielsweise den Namen des Wirtschaftsministers. Den aber hatte dort ein Witzbold kurz nach seiner Nominierung zusätzlich noch auf Wilhelm (achter Vorname von links) getauft.
Die Süddeutsche tat’s Bild nach. Und der Spiegel ließ den Hadschi Halef Omar (Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah) der CSU seinen Namen sogar in wörtlicher Rede aufsagen.
Dutzende Blätter benamsten den neuen Wirtschaftsminister ausgiebig und – weil von Wikipedia abgeschrieben – falsch. Denn nur so lassen sich mit dem Wenigen, was man über ihn weiß, die Zeitungsspalten füllen.
Nominiert worden ist er, weil er jung ist, so wie’s sein Parteivorsitzender mag, und Franke, so wie die, die diesen Parteivorsitzenden nicht mögen, aber von ihm besänftigt werden wollen. Das genügte ganz offenkundig als Qualifikation.
Karl Theodor usw… zu Guttenberg steht damit in einer langen Tradition. Denn die meisten Wirtschaftsminister zuvor waren – und blieben – ebenfalls unbeschriebene Blätter. Man erinnert sich bestenfalls noch daran, dass sie – bislang sechs von 15 – in der FDP waren.
Das genügte angesichts der jeweils knappen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag häufig als Kompetenznachweis. Ihnen half ihr Parteibuch so wie dem Neuen seine fränkische Herkunft. Dass solche Leute keinen größeren Schaden anrichten konnten, zeugt von der Stabilität, die die bundesdeutsche Wirtschaft bislang auszeichnete.
Den einzige Farbtupfer auf die wirtschaftliberale Blässe setzte Otto Graf Lambsdorff. Dessen Charakter muss man nun wirklich nicht mögen. Aber er hat einen.
Daneben gab’s selbstverständlich auch Minister, die Situationen meisterten, die fast so schwierig waren wie die gegenwärtige. Ludwig Erhard beispielsweise managte den Übergang von der Nachkriegszeit zum Wirtschaftswunder. Und Karl Schiller und Helmut Schmidt steuerten in den 60ern und 70ern global gegen die ersten weltweiten Konjunktureinbrüche. Solche Wirtschaftsminister hatte das Land auch schon mal.
Was einen dann aber doch etwas irritiert sind die vielen suspekten Willis in deren Namen. Der Marktgraf hieße nicht nur Otto, steht in Wikipedia, sondern auch noch Friedrich Wilhelm. Und ebenfalls Erhard: Ludwig Wilhelm.
Professor Schiller soll Karl August Fritz geheißen haben. Und der diplomierte Volkswirt Schmidt würde gar auf die Vornamen Helmut Heinrich Waldemar hören.
Ob da auch ein Witzbold zugange war? – Und selbst wenn, es bliebe folgenlos. Kein Schreiber käme auf die Idee, sämtliche Vornamen von Ludwig Erhard, Karl Schiller, Otto Graf Lambsdorff oder Helmut Schmidt ins Blatt zu heben. Über solche Männer gibt es schließlich, mehr zu berichten.