Einmal jährlich kommt Veitshöchheim sogar im Fernsehen. “Fastnacht in Franken” heißt die Sendung.
Und da jene Pest sich nicht im nördlichen Teil des Bundeslandes Bayern in Quarantäne halten lässt, erfüllt die Übertragung der Prunksitzung des FVF (Fasnacht-Verband Franken e.V.) zugleich die Funktion eines dringlichen Warnhinweises an empfindsame Zeitgenossen in ganz Deutschland: Menschen mit Lebensfreude, Witz und Humor sollten in den nächsten Tagen öffentliche Veranstaltungen meiden, so sie nicht Gefahr laufen wollen, Schaden an ihrem Gemüt zu nehmen.
Fasching ist. Genannt auch die fünfte Jahreszeit. Und das ist die tristeste von allen.
Leute, die ganz offensichtlich nicht in der Lage sind, sich in Second Life einen Avatar zusammenzuklicken und auf den ihre heimlichen Wunschvorstellungen zu projizieren, verkleiden sich statt dessen entsprechend. Das soll lustig sein.
Es wirkt aber meist eher lächerlich, was das gerade Gegenteil von lustig ist. Denn viele Narren genannte Psychopathen verstecken sich nicht hinter ihren Masken, um unerkannt Schabernack treiben zu können. Sie entblößen damit vielmehr ihr Innerstes. Und da tun sich dann Abgründe auf.
Markus Söder kam heuer nach Veitshöchheim – vormals CSU-Generalsekretär. Leute in dieser Funktion werden in Bayern gerne “Wadlbeißer” genannt. Andere denkbare Bezeichnungen verbieten die einschlägigen Paragraphen des Strafgesetzbuches. Und Söder konnte nach allgemeiner Auffassung den Anforderungen, die sein früher Job an ihn stellte, vollauf gerecht werden.
Jetzt aber ist er Umweltminister und müsste als solcher – laut Stellenbeschreibung – eigentlich ein Sympathieträger sein, womit er sich allerdings etwas schwer tut. Wohl deshalb wählte er die für solche Fälle ultimative Verkleidung als Eisbärenbaby. Es existieren allerdings keine Berichte, dass seine Sympathie-Werte nach der Fasnacht in Franken erkennbar gestiegen wären. Bei Söder stößt eben auch Flocke an ihre Grenzen.
Auch Florian Pronold war da. Den kennt man außerhalb der Grenzen des Freistaats nicht. Er soll aber demnächst bayerischer SPD-Vorsitzender werden, was wiederum keinen Grund darstellt, ihn im Freistaat zu kennen.
Pronold kam als Supermann. Die Lacher hatte er damit nicht auf seiner Seite. Aber vielleicht hat ja jemand mitleidig gelächelt.
Angekündigt hatte sich auch der neue Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Er ward allerdings in Veitshöchheim nicht gesehen. Es heißt, er habe sich als sein fränkischer Landsmann Ludwig Erhard verkleiden wollen. Aber das Kostüm war ihm einfach ein paar Nummern zu groß.
Grassierte die Fasnacht in den vergangenen Tagen vor allem in den Niederungen von Main und Neckar, so zieht die Epidemie jetzt weiter an den Rhein, um dort als Karneval zu wüten. Und man sieht sie bereits vor sich, ihre Schreckensgestalten:
René Obermann, der Chef eines Unternehmens mit Sitz in Bonn, könnte sich ja als Fernmeldeobersekretär verkleiden. Das waren jene griesgrämigen Menschen, die nie bei einem angerufen hätten, um einem etwas von den “grenzenlosen Möglichkeiten” des Entertain-Comfort-Plus-Pakets vorzuschwärmen. Solche modern verquasten Wörter kannten die überhaupt nicht. Aber sie wussten genau, was zu tun ist, wenn eine NTBA (Network Termination for ISDN Basic rate Access – ein altmodisch verquaster Begriff) nicht richtig funktionierte.
Hartmut Mehdorn könnte im Büßergewand zu einer Prunksitzung kommen und Wolfgang Schäuble als Verfassungsminister. Letzteres wäre eine schlichte, aber äußerst effektvolle Verkleidung. Niemand würde dahinter ausgerechnet den Bundestagsabgeordneten aus der Hochburg der alemannischen Fastnacht vermuten.
Nach der Expertise des Camouflage-Fachmanns Hermann Höcherl, eines Amtsvorgängers von Wolfgang Schäuble, bräuchte jener sich dazu nur ein kostengünstig zu erwerbendes Taschenbuch unter den Arm zu klemmen, beispielsweise Michael Winkler: Was wirklich im Grundgesetz steht, gebraucht – was selten ist – bei Amazon schon ab 5,90 Euro.
Derart kostümierte Gestalten kann man sich allerdings nur im karnevalistischen Fieberwahn wirklich vorstellen oder nach einer gleichwertigen Menge Bier aus dem Reagenzglas, am Rhein Kölsch genannt. Ein Frühstückskaffee und der morgendliche Blick in die Zeitung wiederum reichen aus, um ebenso große Merkwürdigkeiten zu erblicken.
Maria-Elisabeth Schaeffler, die Dame, die man bislang nur im Pelzmantel kannte, hatte diese Woche ihren großen Auftritt bei einer Arbeiterdemonstration. Dabei ging’s um noch ein paar Milliärdchen aus der Staatskasse. Stilsicher trug die Konzernherrin zu diesem Anlass eine Steppjacke, die sehr nach preiswerter C&A-Ware aussah.
Angela Merkel will Banken verstaatlichen. Lediglich der Respekt vor einer großen deutschen Politikerin der Zeitgeschichte verbietet es, ihr zu unterstellen, sie ginge in dieser Saison als Rosa Luxemburg.
Und Oskar Lafontaine, den viele gerne in ein rotes Teufel-Kostüm stecken würden, riet der Bundeskanzlerin diese Woche, sie müsse “ihre VEB-Mentalität überwinden”. Ach ja, heuer treiben’s die Narren besonders toll.
Fünf Tage noch! Dann ist Aschermittwoch und – das ist das Schlimme in diesem Jahr – dann geht die Narretei einfach weiter.
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Danke für den Artikel
Sie sprechen mir aus der Seele! Allerdings ist der Ort Veitshöchheim (gleich hinter Würzburg) ein wirklich nettes Städtchen. :-)