Ist Linux nur ein Windows auf Sparflamme?
Christoph Stoica ist bei Novell Director End-User Computing Central Europe. Auf der CeBIT hat er im Gespräch mit silicon.de dargelegt, wo er für Linux derzeit die größten Chancen sieht, aber auch, wo er das quelloffene Betriebssystem nicht sieht. Denn, so glaubt der Novell-Manager, Betriebssysteme werden generell in ihrer Bedeutung für den Nutzer abnehmen.
silicon.de: Wir sprechen jetzt aber nicht von Dual-Boot-Geräten?
Stoica: Nein, also man muss da ganz klar von verschiedenen Einsatzbereichen ausgehen. Ein klassisches Beispiel ist eine Entwickler-Workstation, die häufig auf Linux laufen. Unternehmen sind heute nicht mehr genötigt, diesem Entwickler auch noch einen Windows-Rechner hinzustellen, nur damit er an der Kommunikation im Unternehmen teilhaben kann. Die Integration ist weit genug fortgeschritten. Dabei ist natürlich auch die Frage wichtig, kann ich solche gemischten Umgebungen auch verwalten und auch hier haben wir mit der ZENworks-Familie Produkte geschaffen, die sowohl im Windows-Umfeld als auch auf Linux-Umgebungen gute Verwaltungsmöglichkeiten bieten und die wir auch mit unseren Identitätslösungen integrieren können. Das sind im Wesentlichen die Voraussetzungen, die einem Unternehmen die Entscheidung abnehmen: Entweder ich gehe auf Windows oder ich gehe Richtung Linux. Heute kann ein Anwender den Best of Breed-Ansatz gehen und wo es Sinn macht, einen Linux-Desktop einsetzen.
silicon.de: Gibt es neben den Kosten auch andere Gründe dafür, dass ein Linux-Desktop besser geeignet ist als ein Windows-Arbeitsplatz?
Stoica: Gute Frage, denn alles endet dann wieder bei den Kosten. Ein großer Vorteil von Linux ist zum Beispiel die Modularität und die Tatsache, dass sich das Betriebssystem einfach an spezielle Anforderungen anpassen lässt. Aber in der Folge bedeutet auch das natürlich wieder Kostenersparnisse. So können Sie zum Beispiel mit reduzierteren Hardware-Anforderungen oder mit geringeren Bandbreiten arbeiten. Man hat natürlich im Entwicklungsumfeld Vorteile, weil Linux hier eine bevorzugte Umgebung darstellt. Aber generell ist der Kostentreiber schon der zentrale Aspekt. Ein anderer Bereich sind so genannte transaktionalen Arbeitsplätze, also Arbeitsplätze, wo nur eine zentrale Applikation, womöglich auch noch webbasiert, betrieben wird. Wo nur Datenerfassung gemacht wird, auch Kassensysteme oder bestimmte Anwendungen im Backoffice sind hier ein klassisches Beispiel, kann Linux voll seine Kostenvorteile ausspielen. Denn das Betriebssystem kann sich sehr gut an die geforderten Leistungsvoraussetzungen anpassen.
silicon.de: Also ein Windows auf Sparflamme, kann man das so sagen?
Stoica: Die Frage impliziert, dass Windows nicht auf Sparflamme wäre! Ohnehin glaube ich, dass es das rundum glücklich machende Betriebssystem auf dem Markt nicht gibt. Sparflamme klingt ja auch so, als würde mir etwas fehlen. Ich sehe Linux jedoch eher als bedarfsorientiertes Betriebssystem, es fehlt einem ja dann im speziellen Fall nichts. Auf der anderen Seite muss man sich in bestimmten Szenarien fragen, brauche ich denn all diese Funktionen, die mir Windows bietet? Hingegen bei Linux kann man sich sein Betriebssystem so konfigurieren, dass man auch nur das bekommt, was man wirklich braucht. Gerade im Thin-Client-Bereich braucht man sich mit Linux nicht sonderlich verbiegen, um einen kleinen Footprint hinzubekommen. Das schafft man schon, indem man an der richtigen Stelle ein paar Häkchen setzt.
silicon.de: Sehen sie es als realistisch, mit Linux mittelfristig an der Vorherrschaft von Microsoft zu rütteln?
Stoica: Ich glaube, dass es derzeit mehrere Kräfte sind, die an dem Quasi-Monopol Microsoft zerren und das ist nicht nur der Faktor Linux. Nehmen wir den Megatrend Mobilität: Einen Großteil unserer Arbeitszeit bringen wir ja inzwischen mit mobilen Geräten zu. Hier läuft ein Client, mit dem ich mich durchaus mehr auseinandersetze, als mit meinem Linux-Desktop. Hier würde man Microsoft nicht mehr dieses Monopol zuerkennen, hier sieht der Markt ganz anders aus. Windows hat hier keinen dominanten Anteil mehr. Gleichzeitig sage ich aber auch, dass kein anderes Betriebssystem hier einen dominanten Anteil haben wird. Ich gehe eher von einer Normalisierung der Marktverteilung aus, weil hier auch die Relevanz eine ganz andere ist. Ich könnte Ihnen zum Beispiel gar nicht sagen, wie das Betriebssystem meines BlackBerry heißt. Das ist aber auch ein gutes Beispiel für ein reduziertes Betriebssytem. Das hat keine Unterstützung für SCSI-Karten, weil da nie eine reinkommen wird. Und der Betriebssystemmarkt der Zukunft wird sich genau durch solche verschiedenen mobilen Endgeräte und den entsprechenden reduzierten Betriebssystemen auszeichnen. Je nach Einsatz, wird das OS entsprechend angepasst. Dafür ist jedoch Linux konzeptionell besser aufgestellt als Microsoft. Dennoch denke ich nicht, dass wir hier einen Markt mit 98 Prozent Linux erleben werden.