Tape-Konvertierung gegen das virtuelle Vergessen
Wenn der Prüfer zweimal klingelt: Wo sind nur diese Buchhaltungsdaten aus den Jahren 1985 bis 1989? Vielleicht auf diesen seltsamen schwarzen Kassetten im Keller. Leider passen sie nicht mehr in den neuen schicken Tape-Roboter. Was nun?
silicon.de: In welchen finanziellen Größenordnungen bewegt man sich denn für solche Projekte. Gibt es da einen Richtwert?
Hilt: Das gibt es derzeit noch nicht, denn jedes Projekt ist wirklich einzigartig. Wir haben manchmal Projekte, wo wir sagen können: Wir bieten einen Preis pro Tape an, weil die Technologie noch aktuell ist. Oder wir haben automatisierte Tools, dann rechnen wir schnell durch, wie lang das Ganze läuft. Wenn man nur jemanden braucht, der die Tapes wechselt, dann kann man das sehr kostengünstig anbieten.
Das andere Extrem ist, dass wir einen Entwickler hinsetzen müssen, der drei Wochen lang mit einer Programmierung eines Tools beschäftigt ist. Dann wird das Ganze natürlich entsprechend teurer. Es gibt natürlich auch solche Fälle, bei denen ein Kunde 20.000 Tapes hat. Das ist eine andere Dimension. Die Preise für solche Projekte bewegen sich von mehreren hundert Euro bis zu mehreren 10.000 oder 100.000 Euro.
silicon.de: Auf welche Systeme stoßen sie denn heute noch?
Hilt: Das sind überwiegend Bänder, die noch relativ aktuell sind. Da bewegen wir uns meistens auf recht gut erschlossenem Terrain. Diese Szenarien treten immer dann auf, wenn sich zwei Unternehmen zusammenschließen, dann treffen ja augenblicklich zwei IT-Landschaften aufeinander. Das neue Unternehmen muss sich für eine Landschaft entscheiden, aber natürlich braucht man die Daten aus der anderen Landschaft ebenfalls. Oder Unternehmen bemerken, dass die benötigten Speicherkapazitäten immer größer werden und die Anwender neue leistungsfähigere Systeme anschaffen wollen. Dann kommt eine Migration der alten Medien auf neue in Betracht.
Aber wir stoßen natürlich auch auf diese alten großen IBM-Nine-Track-Bänder, die aussehen wie Tonbandspulen. Die beinhalten zwar nur wenige Daten, aber meist sehr kritische Buchhaltungsdaten, die die Unternehmen für Wirtschaftsprüfer, für Recherchen oder sogar für forensische Zwecke benötigen. Je nach Branche müssen die Daten ja zwischen zehn und 30 Jahre aufbewahrt werden – in Sonderfällen noch länger. Das ist auch für die Kunden unüberschaubar. Was passiert denn mit meinen Bändern in dreißig Jahren? Bis dahin hat man vielleicht schon wieder einen – oder gar mehrere – Geschäftsführerwechsel. Da weiß dann keiner mehr so recht, welche Datenleichen man im Keller liegen hat.
silicon.de: Eine Ironie des Schicksals. Eigentlich will man ja mit den Bändern Daten archivieren, aber schon nach wenigen Jahren hat man derartige Probleme mit diesen Daten, dass man einen externen Experten beauftragen muss, um sie wieder verfügbar zu machen.
Hilt: Es wird ja in den meisten Firmen nicht über Archiv-Systeme gesprochen, sondern über Backup und Datensicherung mit einer kürzeren Lebenszeit und das hat man dann für den aktuellen Betrieb eingelagert. Langzeitarchivierung ist ja erst in den letzten Jahren zum Thema geworden und findet immer mehr Durchdringung. Es gibt gute Systeme auf dem Markt. Aber auch hier funktioniert nichts ohne ein Konzept. Was passiert zum Beispiel, wenn man sich heute ein System von einem Hersteller kauft, den es vielleicht in fünf Jahren gar nicht mehr gibt? Dann hat man ein altes System, das nicht mehr unterstützt wird. Dann muss man reagieren und die Daten möglichst schnell auf ein moderneres Format konvertieren. Aber das müssen die Anwender selbst im Auge behalten, sonst hilft die beste Technologie nichts.
Es gibt derzeit auch kein richtiges Berufsbild oder Jobbeschreibung für die Aufgabe eines ganzheitlichen “Datenmanagement-Konzept-Verantwortlichen”. Es gibt den Qualitätsmanager als inzwischen gut etabliertes Berufsbild. Dieser hilft dabei, den reibungsfreien Betrieb und die Qualität eines Unternehmens sicher zu stellen. Dazu würde eigentlich auch die Datenmanagement-Aufgabe gut passen. Aber Data-Management ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht anfängt und aufhört. Man muss immer wieder prüfen: Was muss ich speichern, was habe ich bereits gespeichert und was muss ich mit den Datenbeständen tun, um eine kostengünstige Datenkonvertierung zur ermöglichen.
silicon.de: Herr Hilt, wir danken für das Gespräch.