Bedroht der IBM-Sun-Deal die Open Source-Welt?
IBM und Sun haben sich um Open Source verdient gemacht – jeder auf seine Weise und nicht immer reibungsfrei. Nun werden sie wohl eins. Welche Auswirkungen hat das auf die Community? Wird die Politik nun gradliniger? Ludger Schmitz hat deutsche Szenegrößen befragt.
“IBM hatte länger schon Open-Source-Interessen, die über Linux hinaus gingen”, erläutert Seibt: “Aber sie hat ein so starkes Portfolio, dass Open-Source-Produkte bisher nicht so besonders wichtig waren.” IBM hat jedoch durch Donations an Open-Source-Projekte gezeigt, dass sie Interesse an quelloffenen Alternativen hat. Insbesondere OpenOffice könne “ein wesentlicher Grund für die Akquisition” sein, vermutet Seibt: “Mit der Übernahme würde IBM zum größten Herausforderer von Microsoft.” Mit denen ist eh noch eine Rechnung offen.
“IBM wäre nach dem Kauf bestens gerüstet für den Wettbewerb mit Microsoft”, stellt auch Thomas Uhl, Mitglied des Vorstandes des Linux Solution Group (LiSoG) und Open-Source-Stratege bei der Grau Data AG, fest. “Das Klima zwischen den beiden Firmen scheint sich in den letzten Monaten nicht gerade verbessert zu haben.” So demonstrierte IBM auf der CeBIT einen Microsoft-freien Büro-Arbeitsplatz auf der Basis von Ubuntu-Linux und Lotus-Produkten. Mit Suns Open-Source-Komponenten Java, OpenOffice, MySQL und VirtualBox sowie dem intensiven Engagement im Linux-Umfeld bestünde für IBM die Chance, das Business von Microsoft in Bedrängnis zu bringen.
Die Strategie hätte für IBM den Charme, dass sie nicht die eigenen proprietären Produkte der Software-Group kannibalisieren würde. Uhl: “Solaris könnte mit AIX verschmolzen werden und den treuen Unix-Kunden als das große Einheits-Unix offeriert werden – um dann Zug um Zug doch durch Linux ersetzt zu werden.” In der Tat ist Big Blue nach einer Sun-Übernahme mehr denn je genötigt, die einmal begonnene Betriebssystem-Konsolidierung per Linux fortzusetzen, und zwar konsequenter denn je. Seibt ist der Überzeugung, dass IBM das auch tun werde: “Sowohl AIX, als auch Solaris und OpenSolaris würden Linux und der Effizienz zuliebe geopfert werden.”
Ferner gibt es da das (nicht nur) für IBM leidige Java-Thema. Es gibt Bestrebungen von IBM, eine komplett neue, aber kompatible Version von Java als Open Source zu entwickeln. IBM könnte das durchsetzen, und Seibt würde es freuen: “Das würde auch zu einer Vereinheitlichung auf der Basis von Open-Source-Java führen, was Java noch schneller und effektiver vorantreiben würde.” Open Java könnte ähnlich wie beim Open-Sourcing von Eclipse mehr Engagement und Investments anderer Interessenten hervorrufen. Es könnte mehr Funktionsreichtum gegenüber anderen Web- und Server-Entwicklungsplattformen gewinnen. Letztlich würde dadurch auch IBM gewinnen.
Ob die IBM aber mit dem Kauf auch die Träger des hoffnungsvollsten Bereichs von Sun, die Software-Entwickler, gewinnen kann, steht auf einem anderen Blatt. “Die Risiken der Übernahme könnten in den Firmenkulturen liegen”, gibt Seibt zu erwägen, glaubt aber, IBM würde sie in den Griff bekommen. Deutlich skeptischer ist da Rafael Laguna de la Vera, Chef von Open-Xchange: “Hier liegt meines Erachtens das größte Problem.” Bei Sun hat man sich immer als die Alternative zur uniform empfundenen IBM verstanden. Laguna: “Viele Sun-Leute könnten nur noch ein Ziel haben: Raus!” Das könnte leicht ein Brain-Drain an den wertvollsten Stellen von Sun werden.