Die Scherzbolde, die sich eine falsche Identität zugelegt haben, würden “kaum Inhalt” verbreiten, war im Südwestrundfunk zu hören. – Nein, das gerade ist kein Unterscheidungskriterium. Trotzdem sind Politiker-Plagiate, ganz einfach zu erkennen.
Man kann’s selber ausprobieren: “Florian Pronold trinkt Kaffee, erledigt Post”, lässt jener etwa seiner Follower am 4. Februar wissen. Bei letzteren handelt es sich um Leute, die sich aus welchen abseitigen Gründen auch immer für solche inhaltsschweren Aussagen interessieren, bei ersterem um den designierten Landesvorsitzenden der bayerischen SPD.
Dieser “hat den 6. Platz beim SPD-Schafkopfturnier in Simbach erreicht”, wie er am 30. April postet. Zwei Gemeinden dieses Namens existieren im Freistaat. Beide liegen im Niederbayern.
Den Bewohnern dieses Regierungsbezirks wiederum ist der Plural des Begriffs “Sozialdemokrat” nicht geläufig, weil er sich dort durch den Sprachgebrauch im Alltag nicht einüben lässt. Insofern kommt der 6. Rang bei einem von einer niederbayerischen SPD-Gliederung organisierten Wettkampf in etwa dem zweiten Platz in einem Duell gleich.
Dennoch scheint der Microblogger, stolz auf seine Platzierung zu sein. Diese Bescheidenheit, was die eigenen Erfolge anbelangt, gibt einen ersten Hinweis auf seine Authentizität.
Zur Gewissheit führt schließlich eine Überlegung grundsätzlicher Natur: So jemanden wie diesen Pronold zu fälschen, würde sich nicht lohnen. Testergebnis also: Der Mikro-Sozialdemokrat ist echt.
Auch bei richtigen Politikern wird’s nicht schwieriger. Am vergangenen Samstag etwa war auf cdu_news zu lesen: “Angela Merkel: 17.05.; 15 Uhr – Vorstellung des Regierungsprogrammes. Themen: Atomausstieg, Mindestlohn und Vermögensteuer”.
Ganz klar: ein Hack! Wenn im Namen dieser Frau vernünftige Vorstellungen gepostet werden, muss es sich um eine Fälschung handeln.
Die CDU erwägt, wie im Spiegel zu lesen war, den Hacker anzuzeigen. Für diese – nur scheinbare – Humorlosigkeit muss man Verständnis aufbringen, heißt es doch im 2. Buch Mose, Kapitel 24, Vers 14: “Du sollst dem Dürftigen und Armen seinen Lohn nicht vorenthalten.” Dem Christenmenschen gilt jenes daher als “himmelschreiende Sünde”. Griffe demnach die CDU die Forderung nach einem Mindestlohn auf, würde sie ihr Profil verwässern, welches ja wesentlich in ihrer äußerst proprietären Interpretation biblischer Gebote besteht.
Claudia Roth zwitschert ebenfalls gerne – oft so genannte Tiny-URLs, beispielsweise auf ein Interview mit ihr auf Youtube zum ersten Mai. In dem Clip werden die Fragen in Schriftform eingeblendet, wohl weil der Interviewer nicht zu Wort kam. Das spricht für die Echtheit der Twitter-Claudia.
Jedoch ist politisch Interessierten bislang noch keine Aussage der Grünen-Vorsitzenden untergekommen, die zum Nachdenken angeregt hätte. Auf Youtube aber formuliert sie diesen geradezu sibyllinischen Satz: “Vor allem entstehen neue Jobs, indem wir Krisen miteinander verbinden und nicht gegeneinander stellen.”
Das lässt einen grübeln: Entstehen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Krisen nicht von ganz alleine? Oder braucht es tatsächlich Claudia Roth für die ganz große Krise? Und: Was will sie uns eigentlich damit sagen? – Wahrscheinlich eher nichts. Sie möchte wohl bloß, dass die Leute sich ihr Video anschauen.
Testergebnis demnach: echt! Allein schon aus der Überlegung heraus, dass die Phantasie keines Plagiators ausreichen würde, so eine wie Claudia Roth zu fälschen. Diese Frau schlägt ganz authentisch jede Satire.
Ebenfalls Tiny-URLs werden von einem unter dem Namen Guido Westerwelle geführten Account aus gepostet. Und wieder gelangt man darüber zu einem Youtube-Clip.
Hier wird’s dann aber doch etwas komplizierter. Bei dem Video handelt es sich eindeutig um einen Satire-Beitrag, ursprünglich gesendet vom ZDF. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten weisen Glossen ja stets aus – wegen der Verwechslungsgefahr mit der Realität.
Man sieht Westerwelle, wie er seinen Parteifreunden zuruft: “Hier steht die Freiheitsstatue dieser Republik!”. Das ist allerdings kein Fake, sondern ein Auszug aus einer Parteitagsrede von 2007.
Unklar wiederum bleibt, wen er damit meint. Sich selbst? – Dann müsste man erwägen, ob man diesen Mann nicht wegen der Herabwürdigung fremder Staatssymbole belangen sollte.
Möglicherweise hat er sich aber auch auf seine Partei, die FDP, bezogen. Dann wäre dies ein völlig korrekter Hinweis auf die Tatsache, dass in Deutschland einiges viel popeliger daherkommt als in den Vereinigten Staaten von Amerika, vor allem der politische Liberalismus.
Der Südwestrundfunk warnt vor gefälschten Westerwelle-Accounts bei Twitter. Das aber ist unnötig. Man muss vielmehr in Guido Westerwelle wohl ein Plagiat seiner selbst sehen.
Nach diesen und weiteren reiflichen Überlegungen ist der Schreiber übrigens trotz seiner anfänglichen Abneigung zu dem Schluss gelangt, dass Twitter eine feine Sache ist: Leute, die einem nichts mitzuteilen haben, auf 140 Zeichen zu beschränken – das ist doch zumindest mal ein Anfang.
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