Freibeuter und Freiheitliche
Frappierend dieses Wahlergebnis: 229.146 Deutsche oder 0,9 Prozent der Wähler haben ihre Stimme der hiesigen Piratenpartei gegeben. Und im Januar in Hessen waren’s auch schon 0,5 Prozent.
Frappierend dieses Wahlergebnis: 229.146 Deutsche oder 0,9 Prozent der Wähler haben ihre Stimme der hiesigen Piratenpartei gegeben. Und im Januar in Hessen waren’s auch schon 0,5 Prozent.
Rechnet man diese Entwicklung hoch, dann überrunden die Piraten spätestens im Herbst 2011 zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern die Sozialdemokraten. – Ein Scherz! Natürlich wäre eine solche Zukunftsprojektion unsinnig, sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass dies sehr viel rascher eintreten wird.
Außerdem handelt es sich bei dieser Gruppierung nicht um eine sozialdemokratische, sondern um eine liberale Partei. – Davon gab’s in Deutschland schon viele. Bislang allerdings war noch nichts Gescheites dabei.
Wohl deshalb haben die Wähler gemeint, dass es die Piraten braucht. Und jene weisen denn auch die einschlägigen Charakteristika auf: Da ist zum einen der seltsame Umstand, dass Liberale leicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Bei den ursprünglich aus der schwedischen Pirate Bay stammenden Piraten ist der Gesetzesverstoß sogar ein wesentlicher Teil ihres Gründungsmythos. Allerdings ist das entsprechende Urteil noch nicht rechtskräftig. Und darüber hinaus geht’s in dem Fall bloß um ein paar MP3s und MPG-Dateien.
Da haben sich die Leistungsträger von der etablierten Konkurrenz schon deutlich mehr geleistet. Die FDP ist beispielsweise die einzige Partei, die einen wegen Steuerhinterziehung vorbestraften Ehrenvorsitzenden vorzuweisen hat. Und gegen Graf Lambsdorff nehmen sich die Piraten aus, als wollten sie nicht ins Parlament, sondern in ihrer putzigen verbalen Verkleidung zum Kinderfasching.
Meist eng verbunden sind Liberale diversen Gruppen im vorpolitischen Raum. Bei der FDP ist diese soziale Basis mit dem Verband Deutscher Zahnärzte und dem Bund der Steuerzahler allerdings eher zahlungskräftig als breit.
Aber es gibt in den meisten europäischen Staaten ja mindestens zwei liberale Parteien. Die zweite in Deutschland sind die Grünen. Deren Klientel wiederum, die Ökobewegung, wird mittlerweile von allen umworben.
Und hier liegt die Chance der Piratenpartei: Zwar haben Rotbauchunke und Zitteraal heutzutage eine politische Lobby. Aber nicht die Freunde von Esel und Muli. Hier ist eine politische Marktlücke entstanden, die die freiheitlichen Freibeuter zu füllen versprechen.
Eine Stärke von Liberalen besteht darin, besonders gefällige Formulierungen für ihre Ideale zu finden. “Liberté, Egalité, Fraternité” lautet eine klassische oder: “Life, liberty and the pursuit of happiness”.
“Gewaltfrei, basisdemokratisch und sozial”, wiederum nannten sich die Grünen bei ihrer Gründung. Auch nicht schlecht! Sowas geht ins Ohr.
Dann kamen sie an die Regierung. Und die erste Amtshandlung von Joseph Martin Fischer als Außenminister bestand darin, den Kosovo-Krieg zu führen. Dafür, dass das mit der Basisdemokratie nicht allzu sehr ausuferte, stand er in Person. Und dafür, dass das Soziale nicht übertrieben wurde, sorgte der Kanzler vom Koalitionspartner, der bewiesen hatte, dass man auch ohne von ganz unten nach ganz oben kommen kann.