Der mit dem Einkaufswägelchen
Geburtstag hatte der Schreiber diese Woche. Nein, bitte, keine Glückwünsche! – Anfangs begeht man solche Tage ja gerne, weil sich da der Beginn des eigenen Lebens jährt. Und jenes ist ja etwas Schönes. Später wird einem bei solchen Anlässen bewusst, dass man dem Gegenteil schon deutlich näher ist.
Das stimmt einen melancholisch. Und es war einem auch danach in letzter Zeit.
Eine als bedeutend angekündigte Pressekonferenz gab’s dieser Tage wieder. Eine tieftraurige Veranstaltung! Zwei Dutzend Fachjournalisten im Konferenzraum eines Hotels. Die meisten davon wider Willen ohne feste Anstellung. Nur wenige sind freiwillig frei. Viele klagen.
Und alle bekleideten bereits mehrfach imposant klingende Positionen. Dem Schreiber etwa wurden während des einzigen festen Arbeitsverhältnisses, auf das er sich in seiner damaligen jugendlichen Naivität einließ, in kürzester Zeit Titel verliehen, die sich in den Wörtern “Senior”, “Head”, “Managing” und “Chief” auf der englischen Rückseite seiner Visitenkarte niederschlugen.
Titel im Fachjournalismus haben die Qualität von Karnevalsorden. Sie sind Teil der Bezahlung, kostengünstig für die Verlage. Und schlichte Gemüter nehmen sie für und statt bare Münze.
Die Konferenzteilnehmer sind hochbetagt. Ihr mittleres Alter würde sogar das einer durchschnittlichen SPD-Ortsvereinsversammlung übertreffen, wären da nicht die beiden Referenten des einladenden Unternehmens, ein DACH-Vice-President, der viel zu jung ist, um schon am Ende seiner Karriere angelangt zu sein, und eine taffe Marketing-Managerin im Business-Kostüm.
Jene spricht über Kosteneffizienz, Kundenwünsche und Geschäftsmodelle: Es geht um die Vorstellung neuer Server. Bei solchen Gelegenheiten wird man gewahr, dass man den Anschluss verpasst hat: 23 Powerpoint-Slides und eine siebenseitige Pressemittelung ohne ein Wort zur CPU der Rechner. Ein trauriges Liedlein von den Rolling Stones schleicht sich ins Ohr: “Baby, baby, your’re out of time.”
Mit der Frage aus dem journalistischen Beinhaus nach den Prozessoren vermag die dynamische Managerin, nichts anzufangen. Eine vertraute Stimme vom anderen Ende des Konferenzraums antwortet statt dessen: Ja, es handele sich dabei um diese vierkernigen, Hyperthreading-fähigen Nehalem-Implementierungen. – Der Cheftechniker des Konzerns.
Man kennt sich. Der Cheftechniker hat einmal eigens für den Schreiber, als dessen Visitenkarte noch imposant aussah, und einen Jungredakteur, der seinen Ausführungen mit leuchtenden Augen folgte, ein Referat über EPIC (Explicitly Parallel Instruction Computing) gehalten. Das war zu der Zeit, als selbst Powerpoint-Slides noch so etwas Sperriges wie Information enthielt.
Dieser Nehalem ist ein toller Prozessor, logisch gesehen, ein Acht-Wege-Server auf einem Chip. Ach ja, ganz nostalgisch wird einem da zumute: Früher einmal konnte man den nicht enden wollenden Redefluss von Marketing-Leuten abrupt stoppen, indem man nach der Cache-Kohärenz von Acht-Wege-Servern fragte.