Ein Jahr nach seinem Ausscheiden: Bill Gates im Interview
Unsere Kollegin Ina Fried von CNET unterhielt sich mit Bill Gates über das ‘Tuva’ genannte Projekt und Physik, aber auch über Veränderungen bei Microsoft, Googles Betriebssystem Chrome sowie die Zukunft von Windows, das bald per Gesten gesteuert werden kann.
Fried: Der Physiker Fritjof Capra hat in den siebziger Jahren eine Reihe von Büchern geschrieben. Darein geht es um Ökologie und die aus seiner Sicht bestehenden Grenzen des Denkansatzes von Descartes. Dieser hat die westlichen Vorstellungen weitgehend geprägt. Laut Capra konzentrierte man sich – inspiriert von Descartes – viel zu sehr auf Details, der Blick für das große Ganze aber ging verloren. So sind Themen wie Ökologie und sehr komplexe Systeme aus dem Blickfeld der Wissenschaft geraten. Finden Sie auch, dass das die Ursache unserer aktuellen Probleme ist?
Gates: Die Situation, von der Sie sprechen, sieht doch so aus: Wir haben Elektrizität, Medikamente, Impfungen – all das haben wir gerade wegen des wissenschaftlichen Fortschritts, der durch dieses Denken angestoßen wurde. Und wenn wir uns neue Materialien erschließen, neue Batterien erfinden, Solar- oder Kernenergie entwickeln, die die Umwelt nicht schädigen, dann auch das aufgrund dieses wissenschaftlichen Denkens.
Der unglaubliche Fortschritt und die enormen Verbesserungen des Lebensstandards, der Lebenserwartung, der Alphabetisierung und so weiter sind alle auf das bessere wissenschaftliche Verständnis der Welt zurückzuführen. Bei der Betrachtung der Geschichte unterschätzen die Menschen in der Regel, wie die Vorarbeit der Wissenschaft diese enormen Fortschritte erst möglich gemacht hat.
Fried: Bekommen wir Probleme, wenn wir es nicht schaffen, breiten Gesellschaftsschichten wenigsten ein Grundverständnis von Wissenschaft und ihren Werkzeugen zu vermitteln?
Gates: Wenn man tiefer in die Materie eindringt, werden natürlich auch die Probleme komplexer. Was zählt, sind aber die Werkzeuge zur Modellierung und Simulation. Wichtig ist auch, genügend politisch aktive Menschen mit ausreichend Verständnis für Wissenschaft in die Diskussion einzubeziehen. Es gab einmal ein Buch mit dem Titel “Physik für künftige Präsidenten” Darin wurden die Grundlagen der Energie sowie die Kosten und Gefahren von Strahlung und Nuklearwaffen ausgebreitet. So etwas braucht man.
Ja, wir haben ein Problem, wenn es uns nicht gelingt, breiten Gesellschaftsschichten zumindest ein Grundverständnis von Wissenschaft und deren Methoden zu vermitteln. Mit den großartigen Vorlesungen, die jetzt online verfügbar sind, verfolge ich mehrere Ziele: Die Bildung zu verbessern, mehr Menschen für ein umfassenderes Interesse an der Wissenschaft zu begeistern, aber auch mehr Menschen überhaupt an die Grundzüge der Wissenschaft heranzuführen.