Das Flaucher-Referenzmodell
Sommer ist! Da wird das Paradies auf die Erde verlegt. Heuer in den Biergarten am Flaucherkiosk. Hinter einem rauscht die Isar. Und vor einem werden himmlische Speisen zubereitet: Grillhendl, Leberkässemmeln und Fleischpflanzl mit Kartoffelsalat.
Die Seligkeit ist bezahlbar: 2 Euro 70 die Halbe. Hier lässt’s sich sitzen und sinnieren. Weil’s so schön ist. Nicht, weil’s nötig wäre. Denn wer sich mit der Computerei befasst, der blickt’s eh.
“Mitleid mit Madeleine” etwa war diese Woche ein Artikel in der Süddeutschen überschrieben. Die Quelle-Erbin sorgt sich, in Armut zu fallen. Und in ihrer fränkischen Heimatstadt Hersbruck, wo sie eine schöne Villa bewohnt, wenn sie nicht gerade auf ihren Anwesen in der Schweiz oder an der Côte d’Azur weilt, bedauert man sie deswegen.
Den Nicht-ITler mag das wundern. Unsereinem aber ist klar: Es handelt sich um eine virtuelle Armut, eine, die nicht ist, aber so wirkt, nämlich dahingehend, dass die Leute “Mitleid mit Madeleine” haben.
“Sie hat echte Existenzangst”, zitiert die Zeitung ihren Schulfreund und ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein. Und sein Nachfolger Horst Seehofer hat ihr denn auch Geld für den neuen Quelle-Katalog gegeben.
Der Spiegel hat ein Foto vom Apple-iCEO Steve Jobs abgedruckt. Zu einem Artikel über LSD. Auch Jobs soll das schon mal eingeworfen haben.
Für Apple hat er den iMac erfunden, einen Rechner, an dem man nicht herumschrauben kann, der dafür aber ein bisschen teurer ist als ein PC. Später dann den iPod, einen MP3-Player, und das iPhone, ein Handy. An solchen Gadgets schraubt man eh nicht herum. Teuer sind sie trotzdem.
Was manchen an Jobs verblüfft: er hat einen völlig transparenten Corpus – wie seinerzeit der erste iMac. Jeder kennt intimste Details über seine Bauchspeicheldrüse, seine neue Leber. Und im Spiegel steht jetzt, er habe LSD genommen.
Im Spiegel wohlgemerkt. Über seine Bauchspeicheldrüse und seine Leber schreiben Wall Street Journal und Handelsblatt. Nicht die Medical Tribune. – Wenn’s denn schon Milliardäre oder ehemalige Milliardärinnen sein müssen, die einem leidtun sollen, man möchte sich den gläsernen Steve aussuchen. Und nicht die arme Madeleine.
Glasklar ist für den ITler, warum sich die Geschäftswelt für Jobs’ innere Organe interessiert: Er ist ein Single Point of Failure. Die Leute auf den Chefetagen sind ersetzbar, auch wenn sie’s selber ganz anders sehen. Bis auf Steve Jobs: Keiner kann wie er den Leuten Gadgets andrehen, deren Schick in ihrem Preis liegt. So einer darf nicht ausfallen.
Jemand hat einen Radio mit an den Flaucher gebracht: “Man kann aus Polo-Teilen keinen Porsche bauen”, tönt der Zuffenhausener Betriebsratsvorsitzende Uwe Hück. Der Mann ist ein echtes Phänomen. Einer, der immer kämpft, wobei man nicht jedes Mal den Eindruck hat, dass er weiß, wofür.
Einer, der Porsche oder Piëch hieße, kommt nicht im Radio. “Wir haben viel Steuern bezahlt”, ereifert sich der Betriebsrat und meint damit den Konzern.
“Kollegen und Kollegen” sagen Gewerkschafter in ihrer spezifischen vernuschelten Political Correctness meist, wenn sie von den Männern und Frauen sprechen, die sie vertreten. Hück sagt auch schon mal: “Meine Mitarbeiter”.
Er ist ein Proxy. Ein – von Arbeitern gewählter – Unternehmensvertreter. Für die SPD macht er Wahlkampf. Vielleicht erhofft die sich davon ja, dass mit Steinmeier doch noch klappen könnte, was bei Hück schon funktioniert hat.
Der Denke des ITlers erschließt sich halt einfach alles – im Biergarten am Flaucher. Schwer zu durchschauen, ist allerdings, was gerade in Schleswig-Holstein läuft.