Unsere Ulla
Jedes Jahr, wenn die Tage lang und heiß werden, teilt sich das gemeine Volk hierzulande in zwei Gruppen. Die eine zieht nach Süden, gerne nach Malle, wo vor allem die Jüngeren dann mit Strohhalmen Sangria aus Plastikeimerchen saugen.
Die andere bleibt hier, um Arbeiten zu verrichten, ohne die’s halt nicht geht.
Bäcker gehören zu dieser Gruppe, Krankenschwestern und auch Journalisten. Denn die Spanienurlauber wollen schließlich täglich wenn schon nicht mit wichtigen Nachrichten, so doch mit kurzweiligen Geschichten aus der Heimat versorgt werden. Deshalb sitzt die Journaille an Tagen wie diesen, an denen es nur heiß ist und ansonsten nichts los, in Deutschland herum und saugt sich Artikel aus den Fingern.
Beiden Gruppen nun steht heuer unsere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bei, quasi die heilige Ursula von Alicante. Bei den Spanienurlaubern weilt sie dienstlich mit Fahrer und Daimler. Und den notleidenden Schreibern hilft sie, indem sie sich letzteren daselbst entwenden lässt.
Die Meldung schlägt diese Woche alles. 2763 Artikel zum Thema listet Google News. Highscore für unsere Ulla!
Andere hatten’s da schwerer. Die mussten sich phantastische Geschichten ausdenken, um so in die Schlagzeilen zu kommen.
Hartmut Mehdorn etwa erzählte, die Bahn habe nur deshalb ihr Personal rastern lassen, damit Lokführer nicht gegen Schmiergeld Großaufträge vergeben. Und außerdem sei es keine Rasterung gewesen, sondern ein Screening. Was das englische Wort für Rasterung ist und deswegen etwas ganz anderes. Sowas ist doch sophisticated!
Oder Frank-Michael Mros, der seinerzeitige Deutschland-Chef vom Lidl. In dessen Läden wird das Personal per Kamera überwacht.
Daraufhin verbreitet der Konzern, er sei jetzt dem Bundesverband Deutscher Detektive beigetreten, um künftig nur noch ethisch sauber spitzeln zu lassen. Und anschließend kommt man ihm drauf, dass er darüber Buch führt, ob bei einer Verkäuferin schon mal eine künstliche Befruchtung fehlgeschlagen ist. So viel intellektueller Aufwand kann nötig sein, um einen ordentlichen Skandal hinzulegen.
Banker spekulieren die größten Volkswirtschaften der Welt an den Rand des Ruins und lassen sich anschließend mit Millionen dafür abfinden. Der größte deutsche Elektrokonzern kauft sich für 50 Millionen eine eigene Gewerkschaft, damit die richtige bei der Betriebsratswahl nicht zu stark wird.
Und denen allen, die es doch gewohnt sind, das ganz große Rad zu drehen, stiehlt Ulla Schmidt dieser Tage die Schau, indem sie das Auto ihres Arbeitgebers mit in den Urlaub nimmt. Frau Minister, das ist dreist!