“NRW-Schüler bekommen kein Schweine-frei”, meldete das Blatt am Dienstag. “Deutsche küssen weniger” ein paar Tage zuvor. Und: “Bundesliga-Spieler unter Schweinegrippe-Verdacht” noch einmal am Dienstag.
Bereits vergangen Monat hatte sich das Atom-U-Boot des deutschen Skandaljournalismus an die bayerischen Bild-Gucker und Fettschrift-Leser gewandt: “Schweinegrippe könnte sich auf deutschen Volksfesten ausbreiten” – im Original natürlich in Versalien – “Ist die Wiesn jetzt in Gefahr?”.
Und was hat’s g’nutzt? – Nix!
Nach der Woche, in der die ersten geimpft wurden, ist evident: Wir sind trotz Bild in der Informationsgesellschaft angekommen.
Wer bei Google-News “Virus” eingibt, bekommt an erster Stelle eine dpa-Meldung über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Der Conficker schlägt das H1N1 um Längen. Daran denken die Leute, wenn sie dieses Wort hören, an Binaries, nicht mehr an Nukleinsäuren. – Wir sind da!
Das heißt, eigentlich hat das Informationszeitalter – wiederum nach Bild- und Google-Logik – schon 2001 begonnen. Damals toppte der Mail-Wurm Anna Kournikova die hübsche Tennisspielerin. Und wenn ein Stück digitales Ungeziefer mehr Aufmerksamkeit erregt als eine schöne Frau, dann ist das ein untrügliches Zeichen für die Zeitenwende.
Ein bisschen ist es ja auch schade um die gute alte Zeit. Manches nämlich konnte nicht in die neue hinüber gerettet werden.
Der altertümliche Hacker beispielsweise. Dass es sich bei dem um einen “Weinbergarbeiter” handelte, wissen nicht einmal die Enzyklopädisten der TCP/IP-basierten Aufklärung bei der Wikipedia. Sowas findet sich nur noch in Legacy-Lexika aus Papier.
Ebenfalls auf der Roten Liste der gefährdeten Wörter steht die “Gebrauchstauglichkeit”: “Die Gebrauchstauglichkeit (Usability) spielt… eine entscheidende Rolle”, heißt es in einer Pressemitteilung vom 21.7. dieses Jahres.
“explido im europäischen Start-Team der Google Conversion Professionals”, ist sie überschrieben. “explido” seht dabei nicht in Versalien. Nicht einmal der erste Buchstabe ist einer. – Ja, wer so radebricht, der muss auch wunderbare Begriffe einenglischen.
Dabei ist “Gebrauchstauglichkeit” ein gar prächtiger Begriff, geradezu ein Manifest des Arbeitsethos. Für Webseiten-Zusammen-Klicker erklärt: Was eine geringe Usability aufweist, das taugt nichts. Genauso wenig wie jemand, der eine solche Arbeit abliefert.
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