silicon.de: Können Sie beziffern, welcher wirtschaftliche Schaden in Deutschland durch fehlerhafte Software entsteht?
Broy: Dazu gibt es keine aussagekräftigen Zahlen. Im Jahr 2000 wurde der ökonomische Schaden durch fehlerhafte Software in den USA auf 100 Milliarden Dollar geschätzt. Das ist schon neun Jahre her. Seitdem ist Software ja noch wichtiger geworden. Die Frage ist auch: Was ist fehlerhafte Software? Wenn T-Mobile vier Stunden lang ausfällt, weil das Unternehmen einen Fehler in der Datenbank-Software hat, muss man nicht streiten. Das ist eindeutig ein Qualitätsmangel – der jedoch schwer ökonomisch zu berechnen ist. Oder stellen Sie sich ein Telefon vor, dessen Benutzerschnittstelle so lausig programmiert ist, dass es immer wieder zu Fehleingaben kommt. Dieses Telefon wird zum Beispiel von 20 Millionen Anwendern benutzt, die immer wieder Zeit verlieren, weil sie sich verwählen. Auch hier ist der ökonomische Schaden schwer zu erheben.
Wagner: Der Wartungsaufwand für Software sinkt ja auch, wenn der Code gut programmiert ist. Auch in diesem Bereich gibt es viel zu wenig Zahlen.
Broy: Ich schätze, dass wir in Deutschland pro Jahr 100 Milliarden Euro für die Software-Entwicklung ausgeben. Für jeden Euro, der für die Primärentwicklung ausgeben wird, werden jährlich Wartungskosten von15 bis 30 Prozent fällig – das heißt, in Deutschland pro Jahr mindestens 15 Milliarden Euro. Software-Systeme sind durchschnittlich 10 bis 15 Jahre im Einsatz. Häufig sitzen die Unternehmen nach einigen Jahren auf einer Menge Software, die sie täglich nutzen und warten müssen. Die hohen Wartungskosten können dann dazu führen, dass die Unternehmen kein Geld für die Entwicklung neuer Software ausgeben können.
Wenn die Firmen Software hätten, die besser wartbar ist und bei den Wartungskosten zum Beispiel 20 Prozent sparen könnten, könnten sie dieses Geld wieder in die Entwicklung neuer Software investieren. Es ist aber sehr schwierig, die Qualität von Software absolut zu bewerten. Ein kleiner Mangel in der Software kann in einer bestimmten Betriebssituation gar keine Auswirkung haben, in einer anderen Betriebssituation katastrophale Auswirkungen. Daher entwickeln wir ja Maßstäbe, um die Qualität von Software relativ zu den Anforderungen zu bewerten.
silicon.de: Ist fehlerfreie Software überhaupt erreichbar?
Broy: Im strengeren Sinn ist das nicht erreichbar. Das ist auch nicht der Punkt. Der Punkt ist, wie viel Fehlerfreiheit muss ich erreichen, um die Software sinnvoll einsetzen zu können. Wir haben auch schon Software – zum Beispiel in Verkehrsflugzeugen – die so gut gemacht ist, dass sie quasi fehlerfrei ist.
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Q-Bewertung und Folgekosten
Aus meiner Erfahrung (> 25 Jahre) ist nicht nur die Negativ-Betrachtung (Folgekosten von fehlerhafter SW), sondern auch die positive Seite von Belang. Firmen können häufig nicht validieren, wenn sie eine gute, kostenniedrige Applikation bekommen haben. Es werden dann nach Jahren Betriebsdauer Argumente angeführt, die eher etwas mit einem Paradikmenstreit (Cobol versus Java - Applikation muß neu geschrieben werden) zu tun haben, aber kaum die betriebswirtschaftliche Seite anschauen. Man kann doch auch sehr viel lernen aus positiven Fällen, z.B. mit der Fragestellung "was macht dieses System so günstig in den Folgekosten?", "reicht es nicht, Teile zu ersetzen, um als besonders schwierig identifizierte Stellen zu verbessern - z.B. wegen der Anbindung an neue Anforderungen?". Mfg, eine Q-Informatikerin.