“Qualitätsstandard für Software”

silicon.de: Was sind die wichtigsten Ziele, die QuaMoCo erreichen will?

Broy: Wir haben uns am Lehrstuhl das Thema Software-Evolution – oder auch der Software-Wartung – vor einigen Jahren etwas genauer vorgenommen. Das ist ja ein Thema, das in der Wissenschaft bislang keine herausragende Rolle spielt. Es gibt viel mehr Wissenschaftler-Gruppen, die sich mit der Erstentwicklung von Software beschäftigen. Die Software-Wartung hat den Ruf, dass sie etwas mühsam ist und nicht so kreativ. Als wir uns dann näher mit dem Thema beschäftigt haben, haben wir gemerkt, dass die Bedeutung des Themas unterschätzt wird. Das heißt, die Kosten in Software-Projekten liegen viel stärker in der Wartung als in anderen Bereichen.


Professor Manfred Broy
Foto: TU München

Wenn man Software-Evolution vernünftig betreiben will, braucht man jedoch eine klare Vorstellung von Software-Qualität. Diese ist jedoch viel schwieriger zu entwickeln, als es auf den ersten Blick scheint. Daher haben wir uns den Begriff der Software-Qualität näher angeschaut. Wenn man sich Deutschland zudem als Standort anschaut, an dem Software entwickelt wird, kommt man zu dem Ergebnis, dass wir über den Preis weltweit nicht konkurrieren können. Mit der Qualität schon, zumal das Qualitätsbewusstsein in der Branche zunimmt. Wir haben Partner in der Industrie gefunden, die auch an diesem Thema Interesse hatten. Zunächst haben wir mit Siemens gearbeitet, dann sind weitere Unternehmen dazu gekommen. So ist der Verbund QuaMoCo entstanden.

Wagner: Wir haben auch gemerkt, dass die Standards, die derzeit existieren, nicht vernünftig anwendbar sind. Unsere Industriepartner haben uns gesagt: Das, was in der ISO-Norm steht, ist zu abstrakt. Wir mussten uns immer selber etwas bauen. Die Partner hatten Interesse an einem standardisierten Qualitätsmodell und Qualitätsstandard.

Ein klares Ziel, das wir haben, ist die praktische Anwendbarkeit nach klaren Regeln. Wenn in einem Haus die Elektrik verlegt wird, gibt es dafür klare Vorgaben – in Sachen Software-Wartung gibt es nichts Vergleichbares. In den existierenden Standards gibt es auch zu wenige Möglichkeiten, Qualitätsstandards zuzuschneiden. Software existiert ja immer in ganz unterschiedlichen Kontexten, Formen, Größen und Aufgaben. Es ist daher illusorisch, nur ein einziges Qualitätsmodell zu haben, das man nicht an den jeweiligen Kontext anpasst. Es ist daher wichtig, hier Möglichkeiten zu schaffen, je nach Größe des Systems und je nach Anwendungskontext konkrete Anleitungen zu geben, wie man es anpassen kann.

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Silicon-Redaktion

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  • Q-Bewertung und Folgekosten
    Aus meiner Erfahrung (> 25 Jahre) ist nicht nur die Negativ-Betrachtung (Folgekosten von fehlerhafter SW), sondern auch die positive Seite von Belang. Firmen können häufig nicht validieren, wenn sie eine gute, kostenniedrige Applikation bekommen haben. Es werden dann nach Jahren Betriebsdauer Argumente angeführt, die eher etwas mit einem Paradikmenstreit (Cobol versus Java - Applikation muß neu geschrieben werden) zu tun haben, aber kaum die betriebswirtschaftliche Seite anschauen. Man kann doch auch sehr viel lernen aus positiven Fällen, z.B. mit der Fragestellung "was macht dieses System so günstig in den Folgekosten?", "reicht es nicht, Teile zu ersetzen, um als besonders schwierig identifizierte Stellen zu verbessern - z.B. wegen der Anbindung an neue Anforderungen?". Mfg, eine Q-Informatikerin.

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