Die Steinzeit der Informationsgesellschaft
Der Morgen ist der natürliche Feind eines jeden Schöngeists. Und übermächtig wird er, wenn man ihn mit dem Lesen von Pressemitteilungen beginnt.
Während des IT-Mesolithikum wiederum hatte Microsoft das Monopol inne: Vorgeschichtler betrachten die Mittelsteinzeit als jene Epoche, während der sich das Eis schon zurückgezogen hatte, die Zeit also eigentlich reif für Innovationen gewesen wäre, aber nichts geschah.
Insofern ähnelt das 6. vorchristliche Jahrtausend den letzten Jahren des 2. nachchristlichen: Immer wenn Microsoft das Monopol hatte – beispielsweise bei Browsern – dann herrschte Stillstand.
QDOS nannte sich das Betriebssystem, das sich zu Beginn dieser Ära auf den Rechnern ausbreitete, ursprünglich. Das “QD” stand dabei für “quick and dirty”. So hieß dieses Stück Software, und so war es programmiert.
Daran allerdings hat sich dann doch sehr schnell etwas geändert: Microsofts Betriebssysteme heißen mittlerweile nicht mehr so. Unter dem gefälligen Namen “Longhorn” etwa hat der Konzern Windows Vista entwickelt. Wäre er bei seinen Code-Names so ehrlich, wie zu Zeiten von QDOS üblich, hätte Microsoft das Vista-Projekt seinerzeit sicherlich unter der Bezeichnung Pot-bellied Pig – deutsch: Hängebauchschwein – gestartet.
Das kann kein Zufall sein: Die mittleren Epochen in Geschichte, Vor- und Zeitgeschichte waren immer Epochen der Trägheit und des technologischen Stillstands: M – wie Mesolithikum, M – wie Mittelalter, M – wie Microsoft.
Und anschließend folgte jedes Mal ein gewaltiger Einschnitt: Die neolithische Revolution beendete die Mittelsteinzeit. Der Homo sapiens wurde sesshaft. In historischer Zeit schloss mit der Entdeckung Amerikas das Mittelalter. Und das Internet brachte das Ende des Microsoft-Monopols und die Blüte der Informationsgesellschaft.
Die dunkle Seite des Internets nun heißt Google. Wenn Youngsters ein paar mp3s ins Netz stellen, damit sich auch andere daran erfreuen können, dann schimpft man das “napstern”. Napstern gilt gemeinhin als böse. Googlen wiederum muss man sich als Napstern auf ganz hohem Niveau und eben deshalb als gut vorstellen.
Wenn die Leute von Google in öffentliche Bibliotheken einfallen und alles digitalisieren, was ihnen unter die Scanner kommt, dann bietet der Konzern anschließend Autoren, an deren geistigem Eigentum er sich vergriffen hat, und seinen Konkurrenten interessante Geschäftsmodelle an. Diese haben gemein, dass sie allesamt interessante Geschäftsmodelle für Google sind. Von den Betreibern der Pirate Bay hingegen, die heuer wegen Napsterns zu je einem Jahr Gefängnis verurteilt worden sind, ist nicht bekannt, dass sie irgendjemandem interessante Geschäftsmodelle angeboten hätten.