Twitter-Botschaften als politisches Stimmungsbild
Politiker schreiben Blogs, senden Videobotschaften, beantworten Fragen in Online-Foren, nutzen Netzwerke wie Facebook und twittern jede Menge Kurzmitteilungen. Doch beeinflusst das auch die Stimmung der Wähler im Internet? Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben jetzt zehntausende Twitter-Mitteilungen per Computer durchforstet und nach Themen und Emotionen ausgewertet.
Ein Ergebnis: Spitzenpolitiker der kleinen Parteien emotionalisieren die Twitter-Nutzer stärker als die Kanzlerkandidaten – auch das vorübergehende Umfrageplus nach dem Fernsehduell spiegelte sich in Twitter wieder. Dass Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Fernsehduell gewonnen hatte, fand nach Angaben der TUM-Wissenschaftler auch die Twitter-Gemeinde: Die Zahl der Mitteilungen mit Wörtern, die positive Emotionen transportieren, stieg deutlich an – um jedoch bereits wenige Tage später wieder auf das Niveau vor dem Duell zu sinken.
Dies habe eine Computerauswertung von Twitter-Mitteilungen des Lehrstuhls für Strategie und Organisation der TUM ergeben, die 130.000 Twitter-Botschaften zwischen dem 26. Juni und dem 16. September 2009 umfasste. Die Studie sei zwar nicht repräsentativ für das deutsche Wahlvolk, vermittele jedoch ein umfassendes Stimmungsbild des Wahlkampfs in Twitter, einem der wichtigsten Wahlkampfmedien, hieß es.
Anders als bei Umfragen habe man die Stimmung nicht nur punktuell abgefragt, sondern die spontanen Äußerungen vieler Teilnehmer über einen langen Zeitraum beobachtet und den Stimmungswechsel aufgrund von Ereignissen wie dem Fernsehduell in Echtzeit abgefragt. Die semantische Auswertung liefere auch einen objektivierten Eindruck über die Gefühle der Twitter-Nutzer wie Ärger, Unsicherheit oder positive Emotionen.
So haben die Wissenschaftler Profile angelegt, die beschreiben, welche Emotionen die Twitter-Nutzer mit den großen Parteien assoziieren – und wie die Spitzenkandidaten sich davon unterschieden. Während die Profile der beiden Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD weitgehend mit dem ihrer Parteien übereinstimmen, polarisieren die Spitzenkräfte von FDP, Linken und Grünen demnach viel stärker als die Inhalte ihrer Parteien. In Zukunft, so die Wissenschaftler, könnte sich die Analyse von Twitter-Meldungen als Ergänzung repräsentativer Umfragen erweisen. Die Untersuchung kann kostenlos aus dem Netz geladen werden.