Wer online spielt und warum
Sind Online-Spieler tatsächlich einsame Menschen, die brutale Fantasien ausleben oder ihr “wirkliches” Leben aus dem Blick verloren haben? Wer spielt überhaupt online und warum? Fakten über Spieler und ihre Motivation hat Malte Meißner in seiner Abschlussarbeit an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum erarbeitet.
Für diejenigen, die erst seit kurzem spielen, zählen Glamour und Privatheit am meisten, für Langspieler sind es Wettkampf, Freundschaft, Isolation, Gewalterleben und Gemeinschaft. Meißner erklärt den Zusammenhang damit, dass sich starke Faktorausprägungen tatsächlich auf die Bindung an ein Spiel auswirken. So verlassen Spieler, die hauptsächlich Wert auf ihr virtuelles Erscheinungsbild oder ihre Privatsphäre legen, ein Spiel meist im ersten Jahr wieder. Umgekehrt ergibt sich daraus, dass jemand, der zum Beispiel großen Wert auf Wettkampf und Onlinefreundschaften legt, sich dabei isoliert fühlt und seine Privatheit vernachlässigt, besonders lange an einem Spiel festhalten müsste, das seine Bedürfnisse bedient.
Die meisten Frauen messen dem Gewalterleben keinerlei Wert bei. In der Aussage, dass Gewalt ihrem Spiel keinen Reiz verleiht, sind sie sich mit allen anderen, auch männlichen E-Sportler und Rollenspielern, grundsätzlich einig. Die Männer tolerieren im Unterschied zu ihnen allerdings Gewalt in ihren Spielen. Die Browserspielerinnen sind nicht wettkampforientiert und fühlen sich nicht isoliert. Die Rollenspielerinnen sind ebenfalls nicht wettkampforientiert, suchen aber online nach Freundschaften. Die E-Sportler suchen weniger nach Kontakten, sondern bringen ihre Freunde mit ins Spiel. Entsprechend wenig isoliert fühlen sie sich.
Der Großteil der männlichen Rollenspieler und E-Sportler bleibt ihrem jeweiligen Spiel lange treu, spielt täglich aber unterdurchschnittlich viel. Ganz anders sieht es bei einer gemischten Subgruppe männlicher E-Sportler und Rollenspieler aus: Diese Spieler spielen täglich doppelt so lange wie der Durchschnitt, fühlen sich isoliert und legen den größten Wert auf Wettkampf und Online-Freundschaften. Die männlichen Browserspieler legen kaum Wert auf Glamour und Privatheit, dafür sind ihnen Anregung und Gemeinschaft sehr wichtig. “Abschließend muss noch erwähnt werden, dass das Item ‘Gewalt verleiht meinem Spiel seinen Reiz’ in jedem Spiel von einer Minderheit hoch bewertet worden ist”, so Meißner, “auch in Spielen, deren Inhalt keinerlei Gewaltpotential enthält.” Weitere Untersuchungen zeigten, dass dieses Phänomen positiv mit dem Faktor Isolation und der täglichen Onlinezeit korreliert. “Es scheint eine isolierte Minderheit von Spielerinnen und Spielern zu geben, für die der Reiz des Onlinespiels in verbaler Gewalt gegenüber ihren Mitspielern liegt”, so sein Fazit.
Für Meißner ist die Interaktion in Onlinespielen ihr wichtigstes Merkmal. Er überlegt auch, ob das Miteinander in Online-Spielen auch als eine Abkürzung in den vieldiskutierten Cyberspace empfunden wird – also in eine virtuelle Welt, die der Erlebnisbandbreite der eigentlichen Welt so nah wie möglich kommt. Vielleicht ließe sich auf diese Weise erklären, warum den Ergebnissen der Studie nach auch gerade solche Menschen Gefahr laufen könnten, zu sehr in virtuelle Welten abzutauchen, die im privaten und beruflichen Leben sehr gefragt wären: Menschen mit größtem Interesse an Leistung und sozialen Kontakten, an Verdiensten, Anerkennung und Lerngewinn. Die vollständige Arbeit steht zum Download im Netz.