Audrey und das Rätsel der verschwundenen IT, Teil 2

Was bisher geschah: Ich hatte von meiner Redaktion den Auftrag bekommen, ein Interview mit dem Leiter des Rechenzentrums eines großen Versicherungskonzerns zu führen. Green IT. Zugegeben kein Abräumer, aber irgendwie ein Dauerbrenner.

Knarzend lege ich den Rückwärtsgang ein und schalte blind das Blaupunkt Essen CR Stereo 1976 ein. 90,0 Megahertz. 9:30 Bayern 5 – die Nachrichten. In der Wirtschaft geht es aufwärts, sagt Herr Professor Sinn, die Gesundheitsreform wird zum Dollpunkt der Koalition, Obama fordert mehr Nato-Soldaten nach Afghanistan. Heute ist der Welttag der Berge, die UNO hat diesen Tag 2002 ins Leben gerufen, um die Menschen auf die Besonderheiten und Probleme der Bergregionen aufmerksam zu machen. Durch die gestiegenen Temperaturen schmelzen Teile der Gletscher. Dadurch verändert sich nicht nur die Gebirgslandschaft, auch unser Trinkwasser wird mit der Zeit knapp. Denn in den Gletschern sind riesige Süßwasservorräte gespeichert.

“Schon wieder so ein Green-Thema”, brumme ich und will gerade zu Antenne Bayern rüber schalten. Doch beim Abbiegen auf die Leopoldstraße schneidet mich eine Blondine in ihrem Cayenne – Starnberger Kennzeichen. Meine Bremsen ächzen, verdammte Feuchtigkeit.

Plötzlich bin ich hellwach, die Pumpe rast. Eine Nachricht aus der IT weckt mich gänzlich aus dem Fieberwahn. Es dräut Ungemach: Die Analysten der Hackett Group haben sich die Entwicklung der IT-Jobs seit 2000 angesehen und eine Prognose bis 2014 erstellt. Sieht nicht gut aus. 1.942.000 IT-Arbeitsplätze in Nordamerika und Westeuropa würden verschwinden. Die Gründe für den Wegfall seien weniger konjunktureller als struktureller Natur. Konkret: Die IT sorgt für immer mehr Effizienz, sie automatisiert, sie verbessert Prozesse. Dadurch zahlten westliche Unternehmen für Verwaltungsaufgaben im Jahr 2007 insgesamt etwa 333 Milliarden Dollar weniger als für die gleichen Aufgaben im Jahr 2000. “Der Letzte macht also das Licht aus”, denke ich.

Ich nudel die Gänge durch und jubele den 60-PS-Boxer hoch. Ende Leopoldstraße rechts ab über den Mittleren Ring Richtung Autobahn Passau und Neue Messe Riem. Noch 23 Minuten bis zur Konferenz. Das passt. Die Hackett-Meldung lässt mir keine Ruhe. Ok, sind auch nur Analysten und die stochern schon Mal im Nebel herum – oder ist es Self Fullfilling Prophecy? Hat der Stellenabbau in der IT schon im Jahr 2000 begonnen? Sind die Versicherungsleute entlassen? Ich reiße mein Handy hoch, stöpsele das Headset ein und tippe die Nummer eines Kollegen aus Köln. Er ist IT-Fachjournalist, hat von der Pike auf gelernt, wird in Fachkreisen auch Mr. Unix genannt. Der weiß sicher was los ist. “Hallo, ich bin zurzeit nicht erreichbar, bitte hinterlassen Sie…” “Mist, den hat es auch schon erwischt”, fluche ich laut. Er wollte sowieso ein SM-Studio eröffnen.