Krabbelnde Chaos-Kontrolle aus Göttingen
Der autonome Laufroboter AMOS krabbelt nach dem Vorbild von Insekten auf sechs Beinen und wechselt dabei je nach Situation flexibel die Gangart. So kann er sich befreien, wenn er in ein Loch getreten ist oder lernt, Steigungen in einer energiesparenden Gangart zu erklimmen. Dahinter steckt das Prinzip der “Chaos-Kontrolle”. Im Interview mit silcion.de erklärt Professor Marc Timme, vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, wie das kontrollierte Chaos den Roboter in Gang hält.
silicon.de: Haben Sie als Wissenschaftler zu diesem Roboter ein anderes (persönlicheres) Verhältnis wie zu anderen Forschungsprojekten?
Professor Timme: Ehrlich gesagt noch nicht, denn die Möglichkeiten sind ja doch noch recht eingeschränkt. Nur weil ein technisches System selbstständig zwischen Gangarten wählen, Hindernissen ausweichen, vor einem lauten Feind fliehen und auf eine Lichtquelle zulaufen kann, ist er noch kein selbständiges Wesen. Mein Kollege Poramate Manoonpong, der AMOS über viele Jahre auch bio-mechanisch selbst entwickelt hat, mag da anderer Meinung sein.
Der derzeitige sehr große Fortschritt zeigt in jedem Fall, dass es auch wichtig ist, sich mit ethischen Fragen zum Verhältnis autonomer technischer Systeme mit dem Menschen auseinanderzusetzen. Wenn immer mehr möglich wird, was sollten wir zulassen, wie können wir uns verhalten, wie müssen wir Gesetze anpassen?
Immerhin ist es voraussichtlich in ein paar Jahren so, dass die Menschen einige autonome Systeme dann nicht mehr wirklich vorhersagen können. Wenn mein Hausroboter entscheidet, die Blumenvase meines Nachbarn herunterzuwerfen, weil sie sich nicht mehr verstehen (mein Roboter mit dem Nachbarn, oder auch mit der Blumenvase), wer ist dann verantwortlich? Gilt Recht und Moral, als wäre es mein Hund? Gibt es das überhaupt noch, Besitz von einem “Gerät”, dass mich im Schach besiegt und besser Kochen kann als ich? Diese Aspekte sollten wir frühzeitig zum Nachdenken und Diskutieren in die Öffentlichkeit bringen. Auch sollte die Forschung in dieser Richtung der Ethik stärker gefördert werden.