“Investitionsschutz bei mittelständischen Lösungen höher”

silicon.de: Herr Grün, Oracle und SAP bieten immer umfangreichere Lösungen, gibt es auf Anbieterseite so etwas wie einen funktionierenden Mittelstand überhaupt noch?

Grün: Der IT-Mittelstand, der innovative, unabhängige und selbst programmierende Mittelstand, also der liefernde Mittelstand, macht etwa noch immer die Hälfte des Marktes aus. Das sind Zahlen des Marktbeobachters Pierre Audoin Consultants (PAC). Hier geht es aber um das Kundensegment bis zu 1000 Mitarbeiter. Schaut man sich aber das Großkundengeschäft an, sieht es natürlich ganz anders aus. Da haben Unternehmen wie zum Beispiel SAP, Microsoft oder Oracle einen Anteil von 70 bis 80 Prozent.

silicon.de: Aber auch das Kundensegment bis 1000 Mitarbeitern wird für die großen Unternehmen wie SAP und Microsoft immer interessanter. Warum?

Grün: Weil man glaubt, dass da noch nicht erlegte Bären herumlaufen. Weil sehr viele Branchenlösungen von verschiedenen Anbietern vorhanden sind, die aber in der Summe die Hälfte des Marktes ausmachen. Daher liegt der Trugschluss nahe, dass sich Software-Entwicklung in Deutschland von einem mittelständischen Unternehmen nicht lohnen würde.

silicon.de: Dem ist nicht so?

Grün: Nein, auch wenn Microsoft und SAP gute Lösungen haben. Uns als Initiative des IT-Mittelstandes geht es aber vor allem darum zu zeigen, dass es den echten Marktführer auch noch gibt – das sind alle mittelständischen Anbieter zusammen genommen. Als Verband wollen wir auch Marketingthemen wie etwa unsere Gruppen-Zertifizierung ISO 9001 und das Thema Investitionsschutz nach vorne tragen. Aber auch Finanzierung ist ein großes Thema. Wie ist es zum Beispiel mit den Banken, die geben sich ja doch recht zugeknüpft im Moment, selbst Anforderungen der Politik können diese Kreditklemme nicht auflösen.

Wir wollen wirklich für unsere Mitglieder mittelständische Ansätze mit direktem und pragmatischem Nutzen erarbeiten. Wie zum Beispiel das Gütesiegel, mit dem man als Softwarehersteller durch Quellcodehinterlegung und zugesicherte Preispolitik ein Gegengewicht zum Marketing der großen darstellen kann.

silicon.de: Was machen Sie im VDEB neben diesen Informationen für Mitglieder noch?

Grün: Uns geht es auch darum, dass sich einige kleinere Anbieter zusammenschließen, um dann die gleichen Technologien anbieten zu können, wie das die Industrie könnte. Damit versuchen wir natürlich auch Aufträge für unsere Mitglieder zu generieren.

Wir haben zum Beispiel das Themenfeld RFID. Hier haben wir ein RFID-Konsortium gegründet und damit ist es uns gelungen, als Alternative zu großen Konzernen wie T-Systems eine Möglichkeit zu stellen, bei der Metro Partner für Zulieferer zu werden. Nur besteht dieses Konsortium aus zehn Mittelständlern und nicht aus einem großen Konzern. Der eine liefert die Software, der andere die Chips, ein dritter macht die Implementierung und ein anderer liefert zum Beispiel Waagetechnik. Alles, was man eben braucht um so ein System in der Logistik einzusetzen. Und so haben wir unter der Führung des VDEB Aufträge von Metro-Zulieferern generiert. Wir haben das als Verband angeschoben, aber unser Ziel ist es ja nicht Geld zu verdienen, daher haben wir uns aus dem Konsortium zurückgezogen und jetzt ist daraus die RFID Konsortium GmbH unter Beteiligung mehrerer mittelständischer IT-Firmen geworden. Wir wollen unseren Mitgliedern natürlich auch Aufträge verschaffen. Mit einem solchen Modell des virtuellen Unternehmens als Netzwerk von Mittelständlern ist das eine hochspannende Geschichte, weil es tatsächlich funktioniert.

silicon.de: Haben Sie noch weitere Beispiele für einen funktionierenden Mittelstand?

Grün: Als VDEB vertreten wir mittelständische Software-Unternehmen, die selbst entwickeln. Wir bei GRÜN Software AG sind zum Beispiel Marktführer für Spendenlösungen. Und das zeigt doch, dass es einen funktionierenden unabhängigen Mittelstand gibt. Aber offensichtlich gibt es auch bei Ihnen Vorurteile, sonst wären sie wohl nicht so erstaunt darüber gewesen, dass rund die Hälfte der Umsätze im IT-Markt von Anbietern generiert wird, die selbst Mittelständler sind.

silicon.de: Da muss ich Ihnen recht geben, mir war bislang nicht klar, dass die Zahl derart hoch ist. Für mich ist aber auch die Betrachtungsweise neu, dass man alle Anbieter zusammen nimmt und sozusagen als einzigen Anbieter betrachtet.

Grün: Nun ja, sicherlich ist das eine optimierte Marketing-Sichtweise. Aber auch die Großen gehen über den Mittelstand in den Mittelstand. Bei einem Projekt ist es so, dass man zu dritt am Tisch sitzt. Der Kunde, der große IT-Hersteller und ein Mittelständler, der das Projekt als Integrationspartner und einziger Vertragspartner des Kunden, umsetzt und der auch Partnerunternehmen des großen Anbieters ist. Im Grunde ist das ein Dreiecksverhältnis. Und in diesem Dreiecksverhältnis entsteht ein Beziehungsgeflecht. Denn der Integrationspartner muss sowohl dem großen Anbieter, wie SAP oder Microsoft, dienen als auch dem Kunden. Ein mittelständischer ERP-Anbieter dient eben nur dem Kunden. Der kann selbst entscheiden, was er wie weiter entwickelt. Also insofern agiert er auf einer Augenhöhe mit dem Anwender.

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Silicon-Redaktion

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