Avayas Fahrplan für Nortel Enterprise Solutions
Die Nortel Enterprise Solutions (NES) wurde im September 2009 vom Kommunikations-Spezialisten Avaya übernommen. Für rund 635 Millionen Euro kaufte das Unternehmen das Enterprise-Telefoniegeschäft von Nortel mit rund 6000 Mitarbeitern. Im Interview mit silicon.de erklärt der Geschäftsführer und Leiter im Großkundenbereich Frank Pieper, die Strategie des Konzerns und die Integration des Nortel-Portfolios.
silicon.de: Welche Roadmap verfolgt Avaya mit Nortel Enterprise Solutions (NES) im Gepäck?
Frank Pieper: Nortel Enterprise und Avaya ist jetzt eine Einheit. Mit intensiver Vorbereitung haben wir jetzt eine Roadmap auf den Weg gebracht, um unseren Kunden zu zeigen, wohin die Reise geht. Der eine oder andere Nortel-Kunde fragt sich, was wird mit meinen Produkten, was ist mit meinem Investment. Mit der Roadmap zeigen wir, welche Architekturbestandteile zukünftig die wichtigen Eckpunkte sind, aber sagen gleichzeitig auch, dass wir so gut wie keine Produkte dieses Jahr auslaufen lassen, das heißt wir versorgen die Nortel-Kunden weiter. Viele Nortel-Kunden waren durch das Konkursverfahren und während des Übernahmeprozesses stark verunsichert. Mit unserem Fahrplan wollen wir den Kunden nun die Sicherheit geben, dass alles in guten Händen ist.
silicon.de: Welche Technologien von Nortel Enterprise Solutions (NES) wurden in das Produkt-Portfolio von Avaya integriert?
Frank Pieper: Zum Beispiel im Contact-Center-Bereich führen wir einige interessante Produkte von Nortel mit unseren zusammen und bringen sie auf eine gemeinsame Plattform. Des Weiteren gibt es Nortel-Produkte auch im Unified Communications (UC)-Bereich. Hier bleibt die Avaya Aura-Architektur als die Kernarchitektur bestehen. Beide Firmen hatten bereits schon Entwicklungen in die gleiche Richtung gemacht, das heißt alles offen, alles auf SIP (Session Initiation Protocol) basierend. Deshalb lassen sich die Entwicklungen beider Firmen sehr gut zusammenführen. Die Kollegen von Nortel haben zum Beispiel eine sehr gute Management-Plattform, die sich beispielsweise hervorragend für die Administration von unterschiedlichen Systemen einsetzen lässt. Diese werden wir mit einbringen, weil sie weiter als unsere bisherige Lösung ist.
Für alle Standard-Telefonanlagen, die zum Teil zehn bis 15 Jahre alt sind, werden wir SIP-Schnittstellen schaffen, damit diese auch weiterhin genutzt werden können. Wir setzen auf die sanfte Migration und hoffen damit, dass unsere Kunden uns lange treu bleiben. Damit machen wir uns zwar mehr Arbeit, in Hinsicht auf die Weiterentwicklung und Unterstützung von Produkten, aber der Markt und die Kunden haben uns gesagt, wenn Ihr das macht, dann sind wir mit Euch auch langfristig unterwegs.
silicon.de: Wie lange gibt es denn noch Nortel-Produkte und wie viele Kunden gibt es weltweit?
Frank Pieper: Einige Nortel-Produkte werden in den nächsten zwei bis drei Jahren eingestellt, für diese gilt dann aber immer noch eine sechsjährige Wartungsfrist. Die Migration erfolgt in einem sehr breiten Zeitfenster. Insgesamt haben wir zusammen mit Nortel 1,5 Millionen Kunden vom kleinsten Kunden bis hoch zu Großkonzernen wie die Deutsche Bank. Avaya erwartet weltweit für dieses Jahr einen Umsatz von 6 Milliarden Dollar mit rund 19.000 Mitarbeitern, inklusive der Nortel-Mitarbeiter.
Frank Pieper: Der Stellenabbau bei Nortel wurde bereits vor der Übernahme durchgeführt. Alle Restrukturierungen haben vorher stattgefunden. Auch in Deutschland gab es Mitarbeiter, die in eine Transfergesellschaft gegangen sind. Wir selber haben die beiden Entwicklungsabteilungen zusammengelegt und festgestellt, dass wir damit eine gute Grundlage haben. Wir geben in Summe ungefähr 15 Prozent unseres Umsatzes für Entwicklung und Forschung aus.
silicon.de: Nortel-Kunden wird laut Ihrer Aussage ein Update angeboten. Wie schnell müssen sich denn die Kunden dafür entscheiden?
Frank Pieper: Eine Zwangsmaßnahme soll das Update nicht darstellen. Natürlich wird es für einige Produkte, die auslaufen, auch irgendwann keinen Support mehr geben. Es wird also angestrebt, dass die Nortel-Kunden im Laufe der Zeit wechseln. Eine Upgrade-Gebühr wird meist auch erst bei einem kompletten Release-Wechsel fällig.
silicon.de: Nortel Enterprise Solutions wird ja auch in Ihr IP-Office eingebunden und auf eine gemeinsame Plattform gebracht. Wie soll das funktionieren?
Frank Pieper: IP-Office ist unsere Plattform für den Mittelstand. Es ist eine relativ kompakte Anlage, die auch schon auf Unix und Software basiert. Wir haben alle Produkte von Nortel und Avaya überprüft und danach gesagt, dass wir diese Produkte in den nächsten Jahren komplett auf IP-Office migrieren wollen. Auch hier gilt grundsätzlich, dass wir Altanlagen mitnehmen und dem Kunden einen Migrationspfad auch im Mittelstand anbieten, um dann mittelfristig auf IP-Office zu migrieren.
silicon.de: Können Sie denn sagen, wann die Migration der Nortel-Produkte abgeschlossen sein wird?
Frank Pieper: Es wird auf jeden Fall noch mehrere Jahre dauern. Wir haben für dieses Jahr die Release-Wechsel für alle Produkte soweit bestimmt. So gibt es zum Beispiel für Avaya Aura im Mai und Oktober neue Releases. Auch für die Nortel-Produkte wird es erste Updates geben, die dann Avaya Aura-kompatibel sind.
silicon.de: Zum Abschluss noch die Frage, was Avaya für die Geschäftskommunikation in diesem Jahr alles geplant hat?
Frank Pieper: Wir planen verhalten, dass heißt das wir davon ausgehen, dass wir keine ähnliche Erosion wie im letzten Jahr haben werden. Wir erwarten für dieses Jahr ein ähnliches Ergebnis, wie 2009, das ist zumindest unser Plan. Darüber hinaus erwarten wir moderates aber stetiges Wachstum – was sich allerdings bereits in 2010 schon einstellen könnte. Wir hoffen natürlich, dass der nächste Investitionsschub bald kommen wird. Der Mittelstand jedoch verhält sich noch vorsichtig.
silicon.de: Herr Pieper, wir danken für das Gespräch.