Audrey und das Rätsel der verschwundenen IT, Teil 5
Was bisher geschah: Die Chef-Redaktion des IT-Nachrichtenmagazins “Blue” erteilte mir den Auftrag, dem Verschwinden der IT auf den Grund zu gehen. Meine Redaktion möchte die Story exklusiv. AK 47, einer meiner Journalisten-Kollegen, ist bereits dran an der Sache. Und: Mr. Unix, alternder Top-Journalist, wurde erschossen – während ich mit ihm telefonierte.
Britannien ist überhaupt ein schlechter Vorzeigekandidat, wenn es um Sicherheit geht, grinse ich in mich hinein, habe ich letztens recherchiert. Engländer verlieren Handys en masse, lassen ihre Laptops gerne in Taxis liegen und auch beim Militär ist es mit der Royal Security nicht weit her. Verschwunden ist ein tragbarer Rechner mit persönlichen Informationen von knapp 600.000 Rekruten. Immerhin waren die Daten unverschlüsselt. Macht nichts: Die haben ja 4,5 Millionen Kameras, um Terroristen einzufangen.
Genauso so viele sind in den Straßen, Bahnhöfen und Einkaufszentren Großbritanniens montiert. Softwareintelligenz hilft die Datenberge auszuwerten – geht auch nicht anders, denn da steigt kein Mensch mehr durch. Selbst Scotland Yard nennt die Video-Überwachung inzwischen ein Fiasko. Kamerahersteller und Netzprovider freut’s. Orwells Sozialutopie ‘1984’ erscheint dagegen vergleichsweise wie die Abenteuer der “Fünf Freunde”.
Ebenfalls nicht ganz so genau nehmen es die Kameraden von Private Gump. In einem Secondhandladen ergatterte ein 29-jähriger Neuseeländer für 9 Dollar einen MP3-Player. Das Gerät war unbrauchbar, enthielt jedoch eine 60seitige Datei mit geheimen Informationen der US-Armee, darunter Kontaktdaten von Soldaten im Irak und in Afghanistan. Wenn Osama da nicht gleich zweimal klingelt.
Das junge Pärchen mir gegenüber grinst sich an, anscheinend irritiert von meinen Lauten. Lacht nur, denk ich, und tauscht euch mit euren 434 Freunden über soziale Plattformen aus. Ist ja auch gesünder – braucht man keine Pille mehr. Dafür gibt’s da wenigstens mehr Spam. Datenmüll der früher per E-Mail verschossen wurde, belästigt heute personalisiert und adrett via Web-2.0-Müll-Botschaft die virtuelle Identität. 70 Prozent mehr Schrott auf sozialen Plattformen als im Vorjahr hat eine Studie ergeben. Mein Leben 2.0. kann man ja löschen.
Scheiß drauf – jetzt noch nicht. Meine Energie kommt zurück – mein Dropsspeicher ist leider leer. Kolumbusplatz. Das Abteil lichtet sich zunehmend, ist eine gute Wohngegend hier, denke ich. Mein Blick schweift zur Decke. Da flimmert U-Bahn-TV, das die allabendliche Zerstreuung einläutet – Brot und Spiele fürs Volk. “Tod am Weinberg”, steht da in fetten Lettern. Renommierter Journalist, 52 Jahre alt, ermordet aufgefunden. Mein Hals schnürt sich zusammen, im Brustkorb wird’s eng. Schade, dass Mr. Unix drauf gegangen ist, er hat mir oft Tipps gegeben – war ein feiner Kerl. Aber jetzt rück ich euch auf die Pelle, ihr mächtigen IT-Bosse, die ihr über eure Netzwerke die Menschheit ausspioniert, um immer mehr von den Dingen zu verkaufen, die kein Mensch braucht. Wer will denn schon den ganzen I-Trash. Ihr glaubt wohl, ihr habt es geschafft: Teenager tauchen in virtuelle Räume ab, entfernen sich von Freunden und Familie – eine Generation sprachloser Computerfreaks wächst heran. Nein, nein, euch lege ich das Handwerk.