Fliegen wie Superman
Um jeglichem Plagiatsvorwurf von vorneherein entgegenzutreten – auch weil das Thema durch die drohende Preisverleihung an einen mexikanischen Schwanzlurch auf der Leipziger Buchmesse gerade in den Medien hochgekocht wird – legen wir unsere Quellen gleich offen: Die nachfolgenden Betrachtungen fußen hauptsächlich auf den Ergebnissen einer Umfrage der Edge Foundation, einer Art Thinktank im Web.
Zur Jahreswende wurden Intellektuelle, Wissenschaftler und Künstler gefragt, wie das Internet ihre Art zu denken verändert hat (“How Has The Internet Changed The Way You Think?”). Eine der Gemeinsamkeiten, die viele Befragte dem neuen Medium zuschreiben, scheint eine Art Grundrauschen zu sein. Wo früher Ruhe zum Denken gefordert und eingehalten wurde, unterbrechen jetzt digitale Störenfriede die Kontemplation und sorgen für endlose Zerstreuung.
Angefangen hat das alles ja schon mit dem Telefon, als jeder Anruf aufregend war und sofort beantwortet wurde. Dann galt es als Statussymbol, wenn das Telefon permanent klingelte, oft hatten Chefs mehr als einen Apparat auf dem Schreibtisch stehen – man war wichtig und bedeutend. Die überzeichnete Groteske des Mannes, der schlangengleich eine Herde von Telefonhörern jongliert fand in Börsenmaklern ihre Realität, die dauernd zwei und mehr Apparate gleichzeitig bedienen.
Ausspannen bedeutete damals vor allem Ruhe und keine Unterbrechung einer Tätigkeit durch einen Anruf. Das galt so lange, bis die Mobiltelefone in Mode kamen. Wir erinnern uns ungern an die Zeit, als jegliche Diskussion sofort unterbrochen wurde, wenn bei einem die kleine Maschine piepste, so als hinge ein Leben davon ab, zumindest aber ein gutes Geschäft.
Jetzt scheint es mir, dass die Gesellschaft zweigeteilt ist: die einen wollen nicht immer verfügbar sein und schalten ihr Handy gezielt ein. Die anderen, oft die Jugend, scheint ohne Dauersprech und Dauerschreib nicht leben zu können. Das schafft ein neues Suchtverhalten, wie es der Neurowissenschaftler Gary Small im SZ-Interview beschreibt. Danach müssten Lehrer teilweise schon nach einer Schulstunde eine Handy-Pause einlegen, weil ihre Schüler nicht länger ohne auskommen.
Ähnliches erleben derzeit Delphine, die von uns Menschen besucht und zu therapeutischen oder einfach nur erquickenden Begegnungen in ihrem natürlichen Umfeld, vulgo dem Meer, besucht werden: Sie sind von uns so abgelenkt, dass sie ihren eigenen Aufgaben nicht mehr nachkommen. Sie verwahrlosen, jagen nicht mehr gemeinsam in der Gruppe, essen wenig und verhungern manchmal sogar. Warum die Tiere uns nicht einfach den Rücken respektive die Rückenflosse kehren? Sie sind zu neugierig und können (uns) nicht abschalten.