Fliegen wie Superman

Um jeglichem Plagiatsvorwurf von vorneherein entgegenzutreten – auch weil das Thema durch die drohende Preisverleihung an einen mexikanischen Schwanzlurch auf der Leipziger Buchmesse gerade in den Medien hochgekocht wird – legen wir unsere Quellen gleich offen: Die nachfolgenden Betrachtungen fußen hauptsächlich auf den Ergebnissen einer Umfrage der Edge Foundation, einer Art Thinktank im Web.

Was die biologischen Veränderungen durch Internetnutzung angeht, tappt die Wissenschaft noch ziemlich im Dunkeln. Laut Small konnte man aber feststellen, dass die Hirnaktivitäten eines Web-Neulings beim ersten Benutzen in etwa denen beim Lesen entsprechen. Gewiefte Nutzer entwickeln eine doppelt so große Hirnaktivität. Wiederholungen etwa in Form eines Computerspiels trainieren nicht, komplexe Aufgaben können aber förderlich sein, was sich etwa bei den Gedächtnisübungen für Senioren zeigt. Allerdings scheint eine Beschäftigung im Web danach das Entschlüsseln von Emotionen in – realen – Gesichtern zu behindern.

Das mag daran liegen, dass die Kommunikation im Netz vor allem verbal erfolgt, wie der Sound-Künstler Brian Eno feststellt: “Wörter und Sprache sind die Währung des Internets”. Er trauert um das Faxgerät, mit dem doch auch Handschriftliches und Zeichnungen transportiert werden konnten.

Dafür, so der Künstler, ziehe er jetzt seine Erkenntnisse aus viel mehr Quellen als früher und korrespondiere mit mehr Menschen – allerdings weniger tief und intensiv. Das wirke sich auch auf sein Lesen aus, weil er Bücher so überfliege, wie er das Web scanne: “Ich bookmarke sie.”

Geändert hat sich auch das Verständnis dafür, was einen Experten ausmacht. Früher war das jemand, der Zugang zu Spezialwissen hatte, heute ist das jemand, der besser interpretiert. “Die Einschätzung hat den Zugang ersetzt”, hat Eno erkannt und auch, dass sich der Begriff der Gemeinschaft verändert hat. Früher kennzeichnete sie physisch und geografisch verbundene Menschen, heute bestimme das gemeinsame Interesse eine Gemeinschaft. Und jeder kann Teil von ganz unterschiedlichen Communities sein. Dieser Hang, einer Gemeinschaft anzugehören, könne sich übersteigern und zu einem Leben in fiktionalen Communities wie Second Life führen, die zu Lasten des wirklichen Lebens gehen.

“Neue Technologien erzeugen neue Wahrnehmungen. Realität ist ein von Menschen geschaffener Prozess”, beschreibt Edge-Mitbegründer John Brockman sein Credo. Als im 17. Jahrhundert die Mechanik an Stellenwert gewann, wurde das Herz als Pumpe identifiziert. Als Mitte des 20. Jahrhunderts die selbst regulierenden Systeme erkannt wurden, verglich man das Hirn mit einem Computer: “Wir erschaffen Werkzeuge und passen uns diesem Abbild an”, glaubt Brockman.

Jetzt wurde ein Code für ein kollektives Bewusstsein erfunden, der eine neue Art zu denken erfordert: “Das kollektive ausgelagerte Bewusstsein ist das Bewusstsein, das wie alle teilen.”