Bundesregierung entdeckt die IT-Politik
Selten wurde so leidenschaftlich über IT-Themen diskutiert wie im Augenblick. Besonders bemerkenswert: Der Streit über Internetsperren, Social Web oder Google Street View tobt nicht nur wie bislang üblich unter IT- und Datenschutzexperten, sondern wird zunehmend auch unter Spitzenpolitikern ausgetragen. Was ist passiert?
Seit die Debatte vor kurzem von EU-Kommissarin Cecilia Malmström neu befeuert wurde, ist der Streit zwischen den Koalitionspartnern wieder offen ausgebrochen. Gegenüber der Tageszeitung Die Welt warf der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Bruch des Koalitionsvertrags vor. Die CSU sei rückständig, konterte die FDP-Politikerin kurz darauf im Deutschlandfunk.
Hintergrund: Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich kürzlich erneut für eine Löschung kinderpornographischer Webseiten ausgesprochen. Das sei wirksamer als die von der CSU bevorzugte Sperrung. Internetsperren sind – wir ahnten es bereits – zur Belastungsprobe geworden im sowieso schon angespannten Verhältnis zwischen Union und FDP.
Mehr Einigkeit herrscht dagegen beim Thema ELENA. Nach heftigen Protesten von Datenschützern und einer Sammelklage von 22.000 Bürgern will Bundeswirtschaftminister Rainer Brüderle das Gesetz noch einmal auf den Prüfstand stellen. Zuvor waren hatten sich bereits erste Unionspolitiker von dem Gesetz in seiner jetzigem Form distanziert.
Egal was bei all diesen Debatten herauskommt: In Berlin streiten derzeit Verbraucherschutzministerin, Justizministerin und Wirtschaftsminister – und nicht nur sie – mit echtem Einsatz über Themen rund um Internet und Datenschutz. Das allein ist noch kein Zeichen für mehr Kompetenz – aber für mehr Interesse.