Asche zu Asche zu Asche
Wolken sind in Mode. Seit das Gras wieder grünt, liegen darauf Kinder und fantasieren sich abenteuerliche Gestalten in die Kumuli. Marketiers träumen derweil eher von undurchschaubaren Geschäften aus und in die Internet-Cloud. Zugleich ärgern sie sich, dass ihr Flieger sie nicht – wie geplant – zu ihren potenziellen Kunden trägt und beneiden den isländischer Vulkan, der trotz des wenig einprägsamen Namens Eyjafjallajökull (oder so ähnlich), damit so viele Schlagzeilen produziert. Manche ergreifen in der Krise die Chance und vermarkten jetzt ihr Green-IT-Videokonferenz-System als Alternative zum gefährlichen Aschenflug.
So hat kein Data-Warehouse unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel rechtzeitig aus Übersee zurückgerufen. Das bescherte der diplomatischen Entourage ein paar Umwege durch klassische Urlaubsländer und das Gruppenvergnügen einer Busfahrt durch Italien gen Brenner, bei dem Angela jedoch immer ungeduldiger wurde. Das lag nicht an den kritischen Fragen der Journalisten (Wann machen wir Pinkelpause?) oder dem zur Neige gehenden Wasservorräten (Wein schmeckt sowieso besser), sondern an der Lockung des nächsten Weltgroßereignisses in dieser Woche. So stieg sie noch vor dem Brenner in ihre gepanzerte und wohlversorgte Dienstlimousine, um rechtzeitig nach Hannover zu kommen.
Schon wieder Hannover. Der weltgrößten Computermesse CeBIT folgt dort deren ebenso bedeutende Mutter, die Hannover Messe Industrie. Hier schaut sich die Kanzlerin nicht nur Bagger an, die nach Kohle buddeln, um unsere Energiekrise möglichst schmutzig zu bewältigen. Nein, die IT-Branche führt dort mit knapp 200 Ausstellern auf viereinhalbtausend Quadratmetern digitale Fabriken vor. Die Messegesellschaft wirbt mit den Ausstellungsschwerpunkten Virtuelle Produktentwicklung (CAx), Produkt-Lebenszyklus-Management (PDM, PLM), Produktions- und Prozessplanung (ERP, PPS) Fertigung/Automation (MES), Prozessintegration, Auftragsabwicklung sowie Technischer Vertrieb und Service eine ideale Bühne. Ich hoffe Ihr Kürzel, geneigter Leser, war dabei.
Unterstützt werden die digitalen Fabrikanten von einer definitionsgemäß unsichtbaren Zunft, der für eingebettete Systeme (kurz ES wie der gleichnamige Gruselwälzer von Stephen King). Über 98 Prozent aller produzierten Chips werden in solche Systeme eingebaut, die irgendwo im Autoradio oder in der Mikrowelle Dienst tun. Während viele Unternehmen über die Krise jammern, die Medien über Apple und Google herziehen und die Industrie wie Medien auf tragfähige Geschäftsmodelle in der Wolke (egal welche, Hauptsache Asche) harren, wird dort produziert, was das Zeug hält. Entlassen wird kaum, dafür suchen mehr als die Hälfte der ES-Anbieter laut Branchendienst Bitkom neue Mitarbeiter. Seit Jahren wächst dieser Markt zuverlässig auf wohl rund 19 Milliarden Euro in diesem Jahr.
Da sich die Deutschen nicht zur Dienstleistungsgesellschaft eignen – was Empiristen am sinnfälligsten an einer Münchner Kellnerin im Weißen Bräuhaus testen können –, produzieren sie offensichtlich lieber, und das nicht selten hinter den Kulissen. Mit Marketing tut sich ES nämlich auch oft schwer.
Bei ES und dem wegen seiner Spionage-ähnlichen Funktionen ebenfalls etwas öffentlichkeitsscheuen Data Warehousing geht, so habe ich diese Woche gelernt, tatsächlich die Post ab. Dort muss man sich nicht dem grässlichen und ruinösen Geschäft mit Konsumenten widmen, wo der Preisverfall es nötig macht, billiges Fensterglas aufs Monitorgehäuse zu kleben, damit der Rechner Ein Euro fuffzig günstiger wird. Wie gesagt, tagsüber, bei der Arbeit ärgert mich mein iMac. Ich warte auf die Nacht.
“silicons sillycom” besteht aus den bekannten IT-Journalisten Kriemhilde Klippstätter, Hermann Gfaller, Ludger Schmitz und Bernd Seidel. Jeweils freitags lassen sie die vergangene Woche Revue passieren oder kümmern sich um die ganz grundlegenden Dinge der IT.