Politiker und Open Source: Tölpel oder Lobby-Opfer?
Der vom bürgerlichen Lager in der Politik propagierte Retrotrend weg von offenen Standards und Open Source hin zu “Marktstandards” und proprietärer Software in der öffentlichen Verwaltung hat viele Ansatzpunkte. Eine Analyse.
In der Folge ist die sächsische Landesregierung orientierungslos gegenüber neuen Entwicklungen in der IT. Aus der Antwort auf Frage 47: durch den Einsatz von Open-Source-Software kann auch die Wettbewerbsfähigkeit der einsetzenden Unternehmen erhöht werden. Dies zeigt sich gerade im Bereich der kleineren und mittleren Unternehmen. Insbesondere ist die Reaktionszeit in diesen Unternehmen von der Einführung einer Maßnahme (beispielsweise der Migration auf Open-Source-Software) bis zu deren (finanzieller) Wirkung kürzer als in großen Unternehmen, was zu direkten Kosteneinsparungen und erhöhter finanzieller Flexibilität führt.”
Die Landesregierung wird vermutlich nie die Frage beantworten können, warum ausgerechnet große Unternehmen die ersten waren, die auf Linux und Open Source gesetzt haben. Warum haben Großkonzerne, wie es der Autor zu Beginn dieses Jahrzehnts häufiger erlebt hat, ihre Open-Source-Orientierung nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen wollen, weil es die Konkurrenz wecken, einen Wettbewerbsvorteil zunichtemachen könnte?
Antwort der sächsischen Landesregierung zu Frage 51: “Die Förderung des Einsatzes von FLOSS oder der Umstellung auf FLOSS bei öffentlichen Einrichtungen auf Landesebene ist derzeit nicht vorgesehen.” Macht Open-Source-Software nur den Mittelstand flexibler, wirkt sie nur dort finanziell? Oder auch bei einem Großanwender wie dem Land Sachsen?
Nicht einmal aus den von ihr selbst gepriesenen Vorteilen von Open Source für den Mittelstand leitet die Landesregierung eine wirtschaftspolitische Orientierung ab. Antwort zu Punkt 52 recht verquollen: “Den Einsatz von FLOSS zum Bestandteil von Fördervoraussetzungen bei der Förderung des sächsischen Mittelstand zu machen, wäre ein direkter Eingriff in den Wettbewerb. Die Staatsregierung lehnt diesen Schritt ab.” Andernorts hat die Regierung weniger Probleme mit der Legitimität staatlicher regulativer Eingriffe in die “freie” Marktwirtschaft. Sie ist nicht außen vor bei der Telekommunikation, beim öffentlichen Nahverkehr et cetera – und schon gar nicht bei der Verteilung von Konjunkturfördermitteln.
Die Regierung des Freistaats verhält sich nicht einmal halbwegs neutral im Wettbewerb. Staatsminister Jürgen Martens (FDP) erklärte vor dem Landtag in Dresden: “Bei der Bund-Länder-Koordinierung für die IT-Entwicklung sollen gerade auch Marktstandards berücksichtigt werden. Das spricht nicht gegen, sondern gerade für einen Einsatz auch von Produkten etablierter Anbieter.” Ein “auch” wäre schon dreist gewesen, der zweifache Gebrauch des Wortes ist unverfrorene Polemik, die wahre Verhältnisse verschleiern soll.