Der Arbeitsmarkt wird zum Arbeitnehmermarkt
“Nie wieder Massenarbeitslosigkeit” titelt Bild.de heute und schießt damit naturgemäß übers Ziel hinaus. Was Hilmar Schneider aber heute in der WirtschaftsWoche zu Protokoll gibt, lässt zumindest an ein Beschäftigungswunder in Deutschland glauben.
“Der Arbeitsmarkt ist auch für kommende Rezessionen gut gerüstet – und der demografische Wandel wird unsere Beschäftigungslage komplett umkrempeln. Die meisten machen sich noch gar keine Vorstellung davon, was da auf uns zukommt”, so der Ökonom im Interview. “Das Thema Massenarbeitslosigkeit können wir für die kommenden Jahrzehnte abhaken.”
Dabei ist es keine acht Wochen her, dass sich Deutschland noch mitten in der größten Krise der Nachkriegsgeschichte wähnte. Die Angst um den Arbeitsplatz und fallende Löhne – auch und gerade in der IT – war Alltag. Plötzlich jedoch ist alles anders: Nach Meinung des Direktors für Arbeitsmarktpolitik am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn fällt der aktuelle Aufschwung am deutschen Arbeitsmarkt nachhaltiger aus als viele Experten bisher glaubten.
Schneider: “Der Arbeitsmarkt wird zum Arbeitnehmermarkt, auf dem Fachkräfte von den Unternehmen hofiert werden.” Dies werde wahrscheinlich zu deutlich steigenden Löhnen führen. Künftig könnte es “sogar zu Firmenpleiten kommen, weil Unternehmen die Leute, die sie brauchen, schlicht nicht mehr bezahlen können. Manche Betriebe dürften auch abwandern.” Von 2013 bis 2035 fehlten der Wirtschaft rechnerisch alle vier bis fünf Jahre rund eine Million Erwerbstätige.
Eine Aufweichung des Kündigungsschutzes, wie sie Teile der Wirtschaft fordern, hält Schneider für kontraproduktiv. “Der strenge Kündigungsschutz hat sein Gutes. Hätten die Unternehmen beim ersten Anzeichen der Krise ihre Belegschaften einfach entlassen können, hätten sie davon zweifellos Gebrauch gemacht. So waren sie gezwungen, nach Ausweichlösungen zu suchen. Das Ergebnis ist, dass deutsche Unternehmen mit dem Wiederanziehen der Konjunktur aus dem Stand heraus in der Lage sind, die Nachfrage zu bedienen.”