Hurra, es ist ein Computer!
Sie sind laut und nervig. Überall stören sie. Und jeder brüllt sie an. Kann man so was Widerwärtiges wirklich mögen? – Man kann.
Microsoft kopiert das monopolistische Verhalten von Apple, bekommt damit aber sicherlich keine Probleme von den Kartellbehörden, weil Windows eh keine Rolle mehr spielt. – Ein solcher Satz gesagt vor zehn Jahren in sachverständiger Wirtshausrunde – garantiert hätte jemand die Kellnerin instruiert: “Gell, Kathi, dem bringst jetzt nix mehr. Der hat schon g’nug.”
Aber heute ist es so: Mit Windows Phone 7 führt Microsoft einen Software-Laden im Web ein, der wie jener von Apple funktionieren soll: Was in den Laden und aufs Handy darf, das bestimmt Steve – Jobs respektive Ballmer. Der einzige Unterschied: der Apple-Steve wird verdächtigt, keine lästigen Konkurrenten in seinen App-Store zu lassen. Der Microsoft-Steve kann froh sein, wenn überhaupt jemand kommt.
Komische Geräte scheinen sie ja zu sein, diese Smartphones, so ganz anders als PCs. Einen PC macht man zu einem willfährigen Werkzeug – reitet ihn zu wie einen Mustang, editiert – früher die autoexec.bat, heute die Registry – , konfiguriert, sucht Insider-Tipps in Internet-Foren, weil in Handbüchern eh nichts steht… Wochen vergehen, bis der PC das ist, was man will. Er wird zum Geschöpf des Users.
Die Steves mit ihren Smartphones hingegen hätten’s gerne umgekehrt, dass nicht der User sagt, wo’s lang geht, sondern das Device. Das iPhone ist denn auch so eine Art digitaler Gouvernante, die streng verbietet, was sich nicht schickt.
In der lange zurückliegenden Jugend des Schreibers etwa pflegten Männer zu erklären, dass sie sich den “Playboy” nur wegen der interessanten Interviews kauften. Als pubertierender Youngster, der von der gerade einsetzenden überbordenden Produktion körpereigener Botenstoffe gebeutelt war, erstarrte man damals schier vor Respekt ob solcher Coolness. Wäre man selbst doch wegen augenfälligerer Aspekte dieser Publikation überhaupt nicht Vermögens gewesen, sich auf ein Frage-Antwort-Spiel zu konzentrieren.
Rasch allerdings ist man dann draufgekommen, dass nicht man selbst arg komisch ist, sondern dass jemand anderes heuchelt. Und das war eine wirklich emanzipatorische Erkenntnis!
Und jetzt? – War nix! Es stimmt nicht. Es gibt sie tatsächlich, diese Männer, die, ohne abgelenkt zu werden, diese obskuren Interviews lesen. In der Playboy-App fürs iPhone gibt’s zwar auch schöne Frauen, aber nur im Business-Kostüm. Der “Playboy-Leser”, eigentlich ein logischer Widerspruch in sich, mit dem iPhone ist er real geworden.
Auch Karikaturen verbietet der Apple-Steve, weil sie “öffentliche Personen lächerlich machen” – so Apple in der Ablehnung einer App des Pulitzer-Preisträger Mark Fiore. Den Unterschied zwischen einem App-Store und einem Taliban-Kalifat macht wohl mehr das Design als die Libertinage. Think different!
Der Schreiber hat sie gehasst, diese Mobiles! “Warum gehst du nicht an dein Handy?” hat er sich oft anhören müssen. Was klang wie: “Warum hast du gesündigt, den Herrn verleugnet, Unzucht getrieben?” Aufträge für viele, viele Euros landeten ungehört in der Mailbox.
Wie kann man nur solche Gadgets mögen, hat der Schreiber sich gefragt, die überall klingeln und in die die Leute ständig hineinbrüllen? Und deswegen hat er sich ein neues gekauft. Das mag absurd klingen. Aber wenn man so ein neues Handy, also so ein Smartphone, dabei hat, dann kann man immer fotografieren.
Etwa diesen netten alten Herrn in der U-Bahn, ein 68er. Sicherlich war er schon 1976 in Brockdorf dabei, durchnässt von den Wasserwerfern der Polizei. Jetzt schaut er zärtlich auf seine kleine Enkelin, die nach der AKW-Demo am Samstag in München die Kernkraft-Nein-Danke-Fahne schwenkt.
Sicherlich wedelt sie ansonsten genauso gerne mit McDonalds-Fähnchen oder lässt Luftballons von Schuh-Klein steigen. Aber das JPEG vom glücklich dreinblickenden Opi, das ist ein Dokument: “What a trag” – nö – “what a joy it is getting old”.
Mit einem bisschen Software – unter Windows mobile – wird so ein Smartphone sogar zum professionellen Aufnahme-Gerät und zeichnet sendefähig das “Mind the gap” der Londoner U-Bahn auf, die Geräusche des Cable Car in San Francisco, das Glockenspiel des Dresdner Zwingers oder das Muhen der Kühe beim Almabtrieb in Vorderhindelang. Früher wogen Reportergeräte einige Kilo. Ein Smartphone kann man in die Hosentasche stecken.
32 Gigabyte fasst die Micro-SD-Card, genug für alles, was die Discographie der Rolling Stones listet, für Wikipedia und für PDFs, die lesend, man jahrelang das Münchner Tram-Bahn-Netz durchfahren könnte, ohne von der schönsten aller Städte allzu viel mitzubekommen. Mit einem Smartphone erfüllt man demnach nicht nur die Anforderung der heutigen Zeit und ist immer und überall erreichbar, sondern man hat auch Kamera, Aufnahmegerät, seine Bibliothek und seine Steroanlage stets dabei.
Aber man muss sich so ein Gerät schon einrichten. Die PDFkann man nicht lesen, es sei denn man konfiguriert den Reader mit Hilfe eines Registry-Editors. Die ständige Datenverbindung abzuschalten, die nur Geld kostet, erfordert einen Eingriff ins System. Das Handbuch ist 360 PDF-Seiten lang, und es steht nichts drin. Aber im Internet wird man zu jedem Problem fündig. Man kennt das ja.
Genau! Das ist es. Alles, was mit dem Smartphone zu tun hat, kommt einem so eigenartig vertraut vor. Es ist ein prächtiges Device, ein Universalwerkzeug. Es ist… ja, es ist ein Computer! Ein sehr persönlicher sogar, ein PC eben.
Und den kann man überall hin mitnehmen. Herrlich! – Na ja, einen Wermutstropfen gibt’s denn aber doch. Ständig klingelt’s in der Hosentasche. Und dauernd rufen auf diesem prächtigen Device irgendwelche Leute an.