In einem regierungsamtlichen Dokument, der “Stuttgarter Erklärung” vom letzten “Nationalen IT-Gipfel”, ist nachzulesen, wo’s informationstechnisch lang geht hierzulande: “E-Justice”, heißt es darin, sei “Motor für E-Government”. “E-Energy bedeutet ‘Smart Grids made in Germany’.” Und: “Wir wollen die eSkills der ‘Digital Natives’ stärker nutzen.”

Angesichts dessen erscheint es einem als “digital Immigrant” nur konsequent, dass die größte hiesige Messe, die CeBIT, heuer unter dem Motto “Webciety” stand, einem Sprachkonstrukt, dessen gefälliger Klang durch überhaupt keine Bedeutung beeinträchtigt werden konnte.

Was einen wiederum wundert, ist, welch verquere Wirkung da ein Buch eines ehemaligen IT-Verantwortlichen der Deutschen Bundesbank ausgelöst hat. Jetzt sorgt sich alle Welt wegen der Deutschkenntnisse – nein, nicht jener der gewalttätigen Radebrecher in den PR-Abteilungen von Regierung und Unternehmen, sondern wegen jener von richtigen Immigrantenkindern. Die kleinen Türken sollen künftig auch in den Schulpausen deutsch sprechen.

Das fordert der FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der Bild-Zeitung, jenem Blatt, in dem sich einzelne Wörter nicht zwingend zu vollständigen Sätzen ergänzen und das seine Leser regelmäßig mit Überschriften erfreut wie: “Jaaa! Deutschland balla balla!”.

Politiker stehen gerne in der Bild-Zeitung, wissen sie doch, welche Gefahren das gepflegte Deutsch mit sich bringt, dass sie aber nirgendwo so gefeit davor sind wie in Bild. Ihr Problem: Wenn man redet, plaudert, spricht oder schwatzt, also seine Mutter- oder eine andere Hochsprache verwendet, dann passiert es einem leicht, dass man etwas sagt und dann darauf festgelegt wird. Das kann der Karriere sehr schaden.

Deshalb sagen Politiker nichts, sondern signalisieren statt dessen. 13.000 Treffer etwa listet Google für “Christian Lindner” und “Signal”. Mal sendet er “ein Signal der Klarheit”. Das kommt immer gut. Mal signalisiert er “Entschlossenheit”. Ist auch nicht schlecht. Und das “Signal des Aufbruchs” geht selbst dann noch, wenn eigentlich schon alles zu spät ist.

Wer allerdings bloß Signale sendet, der signalisiert keine allzu große Hochachtung für sein Gegenüber. Ist damit doch keine anspruchsvolle Kommunikation möglich. Die Ausdrucksvielfalt etwa eines Nebelhorns ist halt sehr eingeschränkt. Signalisieren kann sogar das Vieh – Paarungsbereitschaft beispielsweise. Aber so ausdifferenziert ist es denn doch nicht, was Politiker ihren Wählern meinen mitteilen zu müssen.

Unterstützt worden ist Christian Lindner bei seiner Forderung nach der Deutschpflicht während der großen Pause von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Maria Böhmer. Die hat bislang sprachlich eigentlich auch noch nicht sonderlich brilliert.

Aber ihre Partei, die CDU, stritt sich lange über den Begriff “Einwanderungsland”. Die politische Schnittmenge zwischen den widerstreitenden Gruppen war gleich null. Und für diese Nulloption hat Maria Böhmer die Formel gefunden: “Deutschland ist Integrationsland”. Ein Begriff, der in etwa so aussagekräftig ist wie “Webciety”.

Dafür müsste man sie eigentlich eines jeden Schulhofs verweisen, auf dem Deutschpflicht herrscht. Zum Glück konnte sich die Kultusministerkonferenz aber dann doch nicht dazu durchringen, Kindern den muttersprachlichen Mund zu verbieten. Und die Gefahr, dass dort einmal Maria Böhmer auftaucht und den Kleinen schlimme Wörter beibringt, ist ja auch gering. Ein weiser Beschluss also. Was einem dann aber doch aufstößt, ist die Reaktion der Migrantenverbände auf die Entscheidung der Kultusminister. Sie sei “ein Signal”, heißt es in mehreren Erklärungen. – Also so bedingungslos muss Integration dann doch nicht sein.

Bleiben noch die Pausenhöfe, die sprachlich von der Schulleitung geregelt werden. Im Hof der Herbert-Hoover-Oberschule in Berlin etwa darf nur die “Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland” gesprochen werden. – Das lässt einen ratlos zurück, hatte man doch immer gedacht, es gehe um Deutsch. Und plötzlich ist hier von dieser seltsam und mehrfach mit dem Buchstaben “e” dotierten Amtssprache die Rede.

Und diese ominösen eSkills lassen einem auch keine Ruhe mehr: Gehören dazu etwa auch deutsche oder irgendwelche anderen Sprachkenntnisse? Und wenn ja, warum heißen sie dann so?

Ey, Mann, was in Deutschland derzeit abgeht, ist echt voll krass! Ich schwör’.

Silicon-Redaktion

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  • Man spricht deutsch
    Ich kann dem Artikel nur zustimmen, insbesondere was die Anmerkungen zum "Nicht-Deutsch" der Bild, zum Signalgeber Lindner und zur Lebenslüge der CDU, Deutschland sei kein Einwanderungsland, angeht.
    Ich weise jedoch darauf hin, dass die Verantwortlichen der Herbert-Hoover-Oberschule in Berlin sich einmal mit der Rechtssituation der Sprachregelungen in Deutschland beschäftigen sollten. Es existiert schlicht und einfach keine Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland.
    Jeweils in den Verfahrensordnungen der Verwaltungen und Gerichte ist von Amtssprache oder Gerichtssprache die Rede. So ist die Amtssprache in § 23 VwVfG für die Verwaltungsverfahren oder in § 87 der Abgabenordnung für die Finanzverwaltung geregelt.Die Gerichtssprache ist in § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes geregelt.
    Für viele mag es überraschend sein, aber das Grundgesetz regelt zum Beispiel, dass die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland Berlin ist, oder dass die Bundesflagge schwarz-rot-gold ist, aber eine Staatssprache ist dort nicht festgelegt (das wäre ja auch schwierig wegen der Minderheitenrechte der Friesen und Sorben sowie der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein).
    Ein Schulhof ist weder Teil eines Verwaltungsverfahrens noch eines Gerichtsverfahrens, also sollte sich die Schulleitung dieser Berliner Schule mal etwas besseres einfallen lassen als die "Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland".
    Wenn man regeln will, dass auf dem Schulhof deutsch gesprochen werden soll (wobei zweifelhaft ist, ob eine solche Regelung Sinn macht), dann sollte man das auch ganz einfach formulieren.
    Dass es erforderlich, dass alle, die in Deutschland leben, die deutsche Sprache beherrschen, versteht sich eigentlich von selbst, und es sollte das Eigeninteresse jedes Zuwanderers sein, deutsch sprechen, schreiben und lesen zu können.
    Die Benutzung von Sprache ist aber abhängig von der konkreten Lebenssituation. Warum soll es nicht möglich sein, dass sich Schüler in der Pause auch in anderen Sprachen unterhalten, wenn diese ihre eigentliche Muttersprache ist?

  • Was ist Deutsch?
    Netter Artikel und an manchen Stellen bedenkenswert, aber nicht konsequent: Der Artikel erscheint schliesslich auf der Webseite http://www.silicon.de. Silicon, oder richtiger Silikon ist aber im Deutschen das Zeug aus der Tube oder das mit dem sich manche Damen ihre Brüste "verschönern". Die Seite sollte also auf Deutsch http://www.silizium.de heissen. Aber das würde wahrscheinlich wieder keiner verstehen und sich höchstens noch fragen - angedenk seiner lückenhaften Lateinkenntnisse - warum es denn eine Webseite zum Schweigen bzw für Ruhe gibt ("Silizium, liebe Schüler, Silizium!").

    Jede Sprache verändert sich solange sie lebt. Man kann sie nicht einfrieren. Worte kommen und Worte gehen. Und ab und zu bleiben einige Worte hängen. Wenn man alle Worte aus dem Duden streichen wollte, die aus einer anderen Sprache eingedeutscht wurden, würde dieser merklich dünner. Sogar das Wort "Grenze", das uns beim abgrenzen vor fremden Einflüssen hilft stammt eigentlich aus dem Polnischen (Graniza).

    Seien wir doch einfach weniger aufgeregt. Aus der e-xxx und i-yyy Sprache wird nur ein ganz kleiner Teil das nächste Jahrzeit überdauern. Die nächste Modesprache lauert bestimmt schon in den Startlöchern. Auch die Jugendsprache der 60er Jahre hat mit der heutigen nichts mehr zu tun. Aber beide haben gemein, dass sich die Eltern damals wie heute schrecklich aufgeregt haben über den Kulturverfall und die unmoralische Ausdrucksweise. Welche Worte dann überleben werden kann heute keiner sagen, Vielleicht ist eines der Worte die webciety und keiner wird dann verstehen warum das Anno 2010 jemand nicht verstanden hat.

  • Killer is back!
    Nichts gegen das "Interrim-Team" des Wochenrückblicks, aber wenn man mal ehrlich ist: Achim Killer ist durch nichts zu ersetzen, außer vielleicht durch noch mehr Achim Killer. Nicht eine der Glossen aus der Zeit dazwischen hatte auch nur annährend diese Leichtigkeit der Schwere, diese Knusprigkeit des Schmelzes oder die Tiefgründigkeit des Oberflächlichen wie seine.

    Dabei wäre mir fast entgangen, dass er wieder da ist - denn ich hatte, nach ein paar Wochen voller Entzugserscheinungen, dem Wochenrückblick bereits endgültig den Rücken gekehrt. Ich trinke ja schließlich auch kein alkoholfreies Bier: wenn ich fahren muss, bleibe ich lieber gleich bei Wasser.

    Vielen Dank also an Herrn Killer und silicon.de, ich freue mich ehrlich, dass ein paar Dinge scheinbar doch wieder so werden können wie früher, in der "guten, alten Zeit".

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