Fachkräftemangel: “Zu viel geredet, zu wenig getan”
Im Interview mit silicon.de beschreibt Dr. Peter Littig, Direktor Bildungspolitik und -strategie bei der DEKRA Akademie, mögliche Wege aus dem Fachkräftemangel. Er sagt aber auch, dass eine nachhaltige Lösung nur noch schwer möglich sein wird – zu lange hätten Unternehmer und Politiker das Problem ignoriert.
silicon.de: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der Idee der anonymen Bewerbung?
Dr. Littig: Diese kann für viele Menschen eine Chance sein, in anderen Ländern wurden mit der anonymen Bewerbung sehr gute Erfahrungen gemacht. Persönliche Vorbehalte von Personalern hinsichtlich Geschlecht oder Nationalität von Bewerbern werden im Auswahlprozess zugunsten der Fakten zur Qualifikation ausgeblendet. Ich fürchte aber, dass auch bei einem anonymen Auswahlverfahren allein aufgrund der aufgezählten Erfahrungen Rückschlüsse auf das Alter des Bewerbers möglich sind. Unabhängig davon, ob das Instrument in Deutschland letztlich angenommen wird, finde ich es gut, dass durch die Diskussion das Thema der Chancengleichheit auf den Tisch kommt.
silicon.de: Als Weg aus dem Dilemma wird immer wieder das Thema Fortbildung genannt. Wer muss wann und wie fortbilden, damit solche Lehrgänge Erfolg haben?
Dr. Littig: Je praxisorientierter eine Weiterbildung beispielsweise für arbeitsuchende IT-Fachkräfte ist, desto größer sind für den einzelnen Teilnehmer die späteren Erfolgsaussichten am ersten Arbeitsmarkt. Das Prinzip der arbeitsprozessorientierten Weiterbildung, wie es dem deutschen IT- Weiterbildungssystem zugrunde liegt, liefert hierzu eine gute Orientierung. Darüber hinaus ist die Bereitschaft zu kontinuierlicher Weiterbildung, sowohl auf Seiten des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers, enorm wichtig. Neue Technologien und Arbeitsweisen entstehen schließlich nicht über Nacht.
silicon.de: Das Pilotprojekt FuTEx kann erste Erfolge vorweisen, was machen Sie anders als vergleichbare Projekte?
Dr. Littig: Das Pilotprojekt ‘Future Technologies for Expertise Development’ (FuTEx) zielt darauf ab, die Beschäftigungsfähigkeit älterer und erfahrener IT-Fachkräfte zu erhalten oder wieder aufzubauen. Das sechsmonatige Programm orientiert sich am IT-Weiterbildungssystem mit einer klaren Fokussierung auf ein Praxisprojekt bzw. eine Praxisaufgabe. Die Teilnehmer arbeiten, lernen und kommunizieren überwiegend in einem “virtuellen” Unternehmen über eine netzbasierte Arbeits- und Lernplattform. Dabei stehen ihnen ein Lernprozessbegleiter und ein Fachberater zur Seite. Durch die Arbeit in einem Team an realen Projekten entwickeln die Teilnehmer genau die Kompetenzen und das Know-how, das Unternehmen benötigen. Die häufig vorgebrachte Kritik an überflüssigen oder veralteten Inhalten bei herkömmlichen Kursen entfällt damit.
Ziel des Programms ist die Qualifizierung zum Softwareentwickler, IT-Tester oder IT-Projektkoordinator verbunden mit einer Personenzertifizierung nach ISO 17024. Und der Erfolg gibt uns Recht: Einige Kandidaten haben bereits während der ersten Phase des Projekts Jobangebote erhalten.