Eine Dissertation über die CIO-Karriere

Dr. Michael Baurschmid hat seine Doktorarbeit über die Karriere des CIO geschrieben – und einige Überraschungen erlebt. “Der Großteil der CIOs plant die Karriere nicht zielorientiert”, sagt der Wissenschaftler im ausführlichen Interview mit silicon.de.

silicon.de: Einmal in der Wunschposition angekommen, muss diese auch ausgefüllt werden – welche Fehler machen CIOs dabei am häufigsten?

Dr. Baurschmid: Verallgemeinert kann die Frage nicht beantwortet werden, zumal schon die Bewertung, was als Fehler zu verstehen ist, immer vom entsprechenden Kontext abhängt. Die CIOs erachten aber “nachhaltige Integrationsfähigkeit” und die “passende Chemie” zu den Vorgesetzen als wichtige Faktoren. Für einen der befragten CIOs standen dann auch nicht die bisherigen Verdienste, sondern stabile Charakter- beziehungsweise Persönlichkeitseigenschaften im Vordergrund. Denn nicht weil der CIO sich in der Vergangenheit eventuell ein Polster aufgebaut hat, sondern weil er jeden Tag von neuem beweist, dass er für morgen der Richtige ist, bleibt er in der Position.

silicon.de: Was muss der “CIO der Zukunft” Ihrer Meinung nach mitbringen?

Dr. Baurschmid: Noch ganz andere, als die in der typischen CIO-Mainstream-Literatur bisher diskutierten, da sich ein positivistisches Weltbild als fragwürdig herausgestellt hat, systemisches Denken, Unsicherheitstoleranz, Kontingenzbewusstsein und Risikofreude als wichtige Kompetenzen für das Arbeitsleben im 21. Jahrhundert identifiziert wurden.

Die hier eingenommene Argumentation orientiert sich an dem Möglichkeitssinn, dem Kontrollbewusstsein und der Wahrnehmung, insbesondere der Selbstwahrnehmung und möglicher Verzerrungen der Wirklichkeit, aber auch an der Fremdbeobachtung des CIO durch seine Umwelt. Eine notwendige Sichtweise, die sich aufgrund der Unkenntnis über die Funktionsweise sozialer Systeme mit dem Glauben an heroische Steuerungsfähigkeiten, den teilweise fehlenden Rückgriff auf Coaches, dem Ruf nach dem CIO 2.0, der Diskussion um mehr Geschäftsorientierung sowie die Probleme im Sprachgebrauch zwischen IT und Fachbereich in Theorie und Praxis, immer wieder feststellen lässt. Letztendlich sind dies Faktoren, die Einfluss auf den individuellen Karriereverlauf nehmen können und die möglichen Grenzen bestimmen.

silicon.de: Was war die “untypischste” CIO-Karriere, über die sie bei Ihrer Forschungsarbeit gestolpert sind?

Dr. Baurschmid: Jeder analysierte Karriereverlauf der CIOs war für sich sehr individuell. Gerade die Unterschiedlichkeit macht doch ihren Reiz und schafft den notwendigen Raum für alternative Herangehensweisen. Untypisch sind die CIOs, die sich bewusst Gedanken über die Grenzen ihrer Wirklichkeitskonstruktionen machen und eine intensive Auseinandersetzung mit Erkenntnis-, Wahrnehmungs- und Kommunikationsfragen für essentiell halten.

silicon.de: Heißt das, der typische CIO ist wenig kommunikationsstark?

Dr. Baurschmid: Das ist ehrlich gesagt ein Problem sehr vieler Führungskräfte und unabhängig vom CIO. Ich fand die CIOs eigentlich fast alle sehr kommunikativ, aber es “hapert” manchmal an Reflexionsfähigkeit, welche zu verbessern ist.
Aber eine persönliche und individuelle Auseinandersetzung mit erkenntnistheoretischen Fragen, also wie die Person wahrnimmt/urteilt/kommuniziert/interveniert, ist in der Managementpraxis oft die Ausnahme. Das Fach hat einfach wenig Übung im Umgang mit derart schwierigen Fragen wie Erkenntnis und Wahrnehmung.

silicon.de: Herr Baurschmid, vielen Dank für das Gespräch.

Die komplette Dissertation von Dr. Michael Baurschmid kann hier heruntergeladen werden.