Die Fronten im Copyright-Prozess von Oracle gegen SAP sind unverändert hart. Oracles Anwalt David Boies forderte in seinem Plädoyer 1,7 Milliarden Dollar, SAPs Anwalt Robert Mittelstaedt bot bestenfalls 40 Millionen Dollar – also ein Unterschied von 1,66 Milliarden Dollar. Wobei SAP bereits zugestanden hat, Oracles Anwaltskosten von bis zu 120 Millionen Dollar zu übernehmen. Hierzu muss man wissen, dass im US-Recht nicht der Verlierer eines Prozesses alle Kosten trägt, sondern jeder seine eigenen und die Gerichtskosten immer vom Kläger zu tragen sind.
Oracle hat den Prozess wie einen Schauprozess geführt, in dem es seine eigenen milliardenschweren Topmanager reihenweise auftreten ließ. Allen voran CEO Larry Ellison und die Präsidentin Safra Catz. In der Sache konnten diese zwar wenig hinzufügen, doch deren Auftritte garantierten ein entsprechend hohes Medieninteresse. Vor allem Ellisons markige Sprüche, in denen er einerseits einen zweistelligen Milliardenbetrag einforderte und andererseits Andeutungen gab, dass diese Beträge dringend nötig seien, um die Löhne der Mitarbeiter zu bezahlen, gingen um die Welt.
SAP war gut beraten sich diesem Schaulaufen nicht anzuschließen und auf die ursprünglich geplanten Auftritte von Jim Hagemann Snabe, Werner Brandt, Henning Kagermann und Hasso Plattner zu verzichten. Nur Co-CEO Bill McDermott nahm im Zeugenstand Platz, um sich dort für die illegalen Downloads zu entschuldigen.
Der Wirbel, den Oracle mit diesem Prozess veranstaltete, stand in keinem Verhältnis zur Sachlage: SAP hat schon vor zwei Jahren die Downloads eingestanden und TomorrowNow dicht gemacht. Dazu bedurfte es überhaupt keiner Zeugenaussagen – auch nicht der von Léo Apotheker, den Oracle verzweifelt gesucht hat, um auch ihn in den Zeugenstand zu zerren .
In dem jetzigen Verfahren geht es nur noch um die Schadenshöhe – das aber ist eher eine Frage für Rechts- und Finanzexperten als für Vorstandsmitglieder, die an publikumswirksamen öffentlichen Auftritten interessiert sind. Im Kern geht die gewaltige Differenz zwischen Oracles Forderung und SAPs Angebot darauf zurück, dass Oracles Berechnungen vom Lizenzwert der heruntergeladenen Software ausgehen, wogegen SAP vom tatsächlichen Schaden ausgeht, den Oracle in Form von Umsatzverlusten erleiden musste. Insofern zeigt die Differenz von 1,66 Milliarden Dollar auch, welchen Schaden SAP Oracle zufügen wollte, ohne dass es auch nur annähernd an diese Größenordnung herankam.
Dass es in diesem Prozess nur um derartige Berechnungen geht, weiß man auch bei Oracle. Folglich gab es eigentlich keinen Grund den Prominenten-Anwalt David Boies zu beauftragen und zusätzlich noch eine der teuersten Anwaltskanzleien aus San Francisco einzuschalten. Oracle wollte mit diesen Aktionen aber den Prozess aus dem Schatten der Zahlenfreaks herausholen und ihn für eine immense PR-Kampagne gegen SAP ausschlachten. Das ist ihnen in Anbetracht der Medienresonanz – zumindest teilweise – gelungen.
Mit diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass der Prozess mit dem Urteilsspruch in der kommenden Woche endgültig erledigt ist. Jeder Betrag, der deutlich unterhalb von der von Oracle geforderten 1,7 Milliarden liegt, wird zu einer Berufung und damit zu einer Fortsetzung der PR-Kampagne seitens Oracle führen. Und ein Betrag in der Nähe der Oracle-Forderung wird zu einer Berufung von SAP führen, denn auch wenn es eine negative PR-Kampagne ist – so leicht verdient SAP heute keine Milliarden mehr, als man sowas aus der Portokasse bezahlen kann.
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