TomorrowNow: Peinlich für SAP und Oracle

Die Schuldfrage der SAP stand ja bereits seit längerem außer Zweifel, ebenso wie die SAP spätestens seit der Entschuldigung durch Co-CEO Bill McDermott auch die Verantwortung dafür übernommen hat. Spannend war nun die Frage in welcher Höhe die Entschädigung ausfallen wird. Die ursprünglich von SAP bezifferten 40 Millionen Dollar Schaden waren sicherlich ein wenig naiv seitens der SAP – was auch die spätere Erhöhung der Rückstellungen auf 160 Millionen Dollar zeigt. Die Diskussionen der Geschworenen über die Höhe der Entschädigung gingen zunächst bei einer halben Milliarde Dollar los und umfassten einen Rahmen bis zu 3 Milliarden Dollar.

Bei Kontinentaleuropäern löst die Höhe der nun festgelegten Schadensersatzzahlung in jedem Fall Befremden aus. Offensichtlich ist es im Rahmen des Prozesses keiner der Parteien gelungen, den entstandenen Schaden nachvollziehbar zu kalkulieren und zu beziffern. Oracle hatte laut Handelsblatt 1,7 Milliarden Dollar verlangt. Wenn man sich die Aussagen einzelner Geschworener vor Augen führt, die sich innerhalb der oben genannten Bandbreite nun auf 1,3 Milliarden Dollar “geeinigt” haben, lässt die Festlegung der Höhe der Summe offensichtlich doch ein gutes Maß an Willkür vermuten.

Vergleicht man die Causa “SAP vs. Oracle” mit den Streitigkeiten, die sich Microsoft vor ein paar Jahren mit der Europäischen Union geliefert hat, ist das aktuelle Urteil noch weniger nachvollziehbar. Damals sollte ein Exempel statuiert werden, aber die Höhe der letzten Endes von Microsoft geforderten Zahlungen sind – vor dem Hintergrund, dass die Komplexität des damaligen Rechtstreits zwischen der EU und Microsoft deutlich höher war – verglichen mit diesem Urteil lächerlich. Damals wurde die festgelegte Höhe der Zahlungen von Microsoft sogar vom amerikanischen Justizministerium kritisiert.

Was bedeutet das Urteil aber nun für SAPs Kunden und Partner? Auf die SAP-Kunden wird es keine oder zumindest nur kaum wahrnehmbare Auswirkungen haben. Mit der Unaufgeregtheit, mit der SAPs Kunden den Prozess in den letzten Wochen verfolgt haben, lagen sie meiner Meinung nach richtig. Denn solange die Höhe des Schadensersatzes die SAP nicht essenziell bedroht – was nicht der Fall ist –, ist auch nicht mit irgendwelchen negativen Auswirkungen für die Kunden zu rechnen, in dem Sinne, dass Investitionen in Themen wie Timeless Software, BI, BBD, etc. zurückgefahren werden.

Die Leidtragenden sind meiner Meinung nach natürlich zunächst einmal die Eigentümer – sprich die Aktionäre – der SAP. Da trifft es den einen oder anderen gut Betuchten, aber auch viele Kleinaktionäre und Mitarbeiter.

Aber gerade auch die Mitarbeiter werden verstärkte Sparmaßnahmen zu spüren bekommen, die bei einer solchen Größenordnung der Schadensersatzsumme nicht ausbleiben werden beziehungsweise dürfen. “Last but not least” wird auch das SAP-Ecosystem, also die SAP-Partner, sicher nicht zu den Profiteuren dieses Urteils gehören. Denn im Rahmen der zu erwartenden Sparmaßnahmen der SAP kann auch das eine oder andere gemeinsame Engagement negativ betroffen sein.

Wer ist nun aber der Gewinner? Larry Ellison ist um über eine Milliarde Dollar reicher geworden. Zumindest in Europa, aber auch bei einigen US-Unternehmen klingt durch, dass Oracles harte Gangart bei den Geschäftspartnern zunehmend auf Befremden stößt. Da fragt sich schon der ein oder andere Kunde oder Partner von Oracle, ob sich das Unternehmen nicht lieber auf die technologische und organisatorische Integration der vielen Zukäufe konzentrieren sollte, wo man doch nach wie vor ein paar Antworten schuldig geblieben ist.

Keine Frage, die SAP geht sicherlich angeschlagen aus diesem Prozess – was sowohl ihr Image als natürlich auch die Höhe der Summe anbelangt. Ob Oracle irgendetwas – außer natürlich der im Raum stehenden 1,3 Milliarden Dollar – gewonnen hat, bleibt abzuwarten. Ein Imagegewinn ist dies sicher für keine der Parteien!

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Silicon-Redaktion

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  • TomorrowNow: Peinlich für SAP und Oracle
    Ich finde den Artikel sehr gelungen, da er polarisiert und zur Diskussion von Standpunkten anregt. Ich hoffe, Sie sehen mir nach, dass ich als Anwalt, eine etwas andere Sichtweise einnehme. Meine Anmerkungen sind nicht als Kritik des Autors, sondern als Diskussionsbeitrag gedacht.

    Sicherlich ist das Urteil ein schwerer Schlag für SAP. Aber ohne das Volumen der illegalen Downloads und die normalen Preise von Oracle für solche Downloads zu kennen, halte ich es für problematisch, der Jury und den US-Gerichten Willkür zu unterstellen.

    Im SAP-Oracle-Prozess ging es - anders als im Microsoft-EU-Verfahren - nicht um die Bestrafung von SAP, sondern um den Ausgleich des Schadens, den Oracle erlitten hat. Die von der Jury zu entscheidende Frage war, welchen Lizenzpreis hätte SAP bezahlen müssen, wenn SAP die erforderlichen Lizenzen bei Oracle rechtmäßig erworben hätte? Eine solche Berechnungsmöglichkeit sieht im Übrigen auch das deutsche Urheberrecht bei Lizenzverstößen vor.

    Bei der Ermittlung eines fairen Betrages, hat die Jury sich nur darauf konzentriert, den Umfang der illegalen Downloads sowie den Zeitraum, in dem illegal Dokumente und Software herunter geladen wurden, in seine Betrachtung einzubeziehen. Eine Schätzung des entgangenen Gewinns, z.B. durch Abwerbung von Oracle-Kunden durch TomorrowNow-Mitarbeiter, hat die Jury bewusst unterlassen, weil das in der Tat sehr schwer zu ermitteln gewesen wäre und am Ende einem Kaffeesatzlesen gleich gekommen wäre.

    Nach den Berichterstattungen wurden nach der Übernahme von SAP in einem Zeitraum von drei Jahren tausende Kopien der Oracle-Software von TomorrowNow-Mitarbeitern mit Wissen des SAP-Managements herunter geladen und zusammen mit den entsprechenden Services an Kunden verkauft. Ohne hier den genauen Umfang der illegalen Kopien und die normalen Preise von Oracle für dieses Volumen an Downloads zu kennen, fällt es schwer, zu sagen, ob das Urteil tatsächlich ungerecht ist.

    Die Bandbreite in der Beurteilung des angemessenen Lizenzpreises (513 Mio. - 3 Mrd. USD) kommt daher, dass kein Unternehmen Listenpreise zahlt, wenn es in dem Volumen von TomorrowNow Lizenzen erwirbt. Es war deshalb Aufgabe der Jury zu schätzen, welchen Preis hätte ein Unternehmen bezahlt, wenn es sich vorweg die entsprechenden Lizenzen gekauft hätte. Dass hier ein gewisser Ermessensspielraum besteht, liegt in der Natur der Sache. Und wer die Rabattbandbreite in der Softwarebranche kennt, die bei Transaktionen dieser Art durchaus üblich sind, den überraschen solche Schwankungsbreiten sicherlich nicht.

    M.E. passt auch der Vergleich mit dem Microsoft-EU-Verfahren nicht ganz. Im Microsoft-Verfahren ging es um die Festsetzung einer "Strafe" für die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 82 EG-Vertrag). Evtl. Schadensersatzansprüche von Wettbewerbern, die durch das Verhalten benachteiligt waren, sind nicht Gegenstand des EU-Verfahrens gewesen und hätten vielleicht auch zu ganz anderen Beträgen geführt, wenn sie denn von betroffenen Unternehmen geltend gemacht worden wären.

    Ferner sei angemerkt, dass auch das Microsoft-Verfahren durch eine Beschwerde eines US-Wettbewerbers, nämlich Sun Microsystems, in Gang gesetzt wurde. Es waren also nicht die Europäer, die ein Exempel an einem US-Anbieter statuieren wollten.

    Dafür, dass Microsoft nur eine "Strafe" und keinen "Schadensersatz" zahlen musste, war der Betrag im Verhältnis zum SAP-Oracle-Vefahren - wenn man auf Grund der unterschiedlichen Verfahrensgegenstände überhaupt eine Parallele ziehen sollte - auch nicht zu niedrig bemessen. Zunächst musste Microsoft 497,2 Mio. Euro "Bußgeld" dafür zahlen, dass es (a) seine Schnittstellen zum Windows-Betriebssystem nicht zu angemessenen Bedingungen offen gelegt (sog. Interoperabilitätsverfügung) und (b) Windows stets nur zusammen mit dem Media Player angeboten hat (Entkoppelungsverfügung).

    Weil Microsoft in der Folge gegen die Interoperabilitätsverfügung verstoßen hat, in dem Microsoft nach Auffassung der EU-Kommission überhöhte Lizenzgebühren für die Schnittstelleninformationen zu Windows verlangte, wurde von der EU Kommission am 27.02.2008 ein "Zwangsgeld" in Höhe von weiteren 899 Mio. Euro gegen Microsoft festgesetzt. Auch das Zwangsgeld ist eine "Strafe" und kein "Schadensersatz".

    Mit freundlichen Grüßen
    Jürgen Beckers
    Rechtsanwälte BDH
    http://www.rechtsanwaelte-bdh.de
    https://www.xing.com/profile/Juergen_Beckers

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