Personalstrategien: Flexibilitätsreserve schaffen
Der strukturelle Fachkräftemangel in Deutschland dürfte sich bei der Rekrutierung von Fach- und Führungskräften zur größten Herausforderung innerhalb der Personalstrategie vieler Unternehmen entwickeln.
In der Wirtschaftskrise haben sich die Verlängerung und die Ausweitung der Regelungen zum Kurzarbeitergeld als wichtige stabilisierende Maßnahmen für die deutsche Wirtschaft bewährt. Die Wirtschaftskrise hat jedoch auch gezeigt, dass der strukturelle Fachkräftemangel durch den Abschwung nicht komplett aufgelöst wurde. Zwar wurden auch Fachkräfte entlassen. Diese Entlassungen waren aber oft finanziellen Engpässen geschuldet. Gespräche mit mittelständischen und großen Unternehmen zeigen: Die Bereitschaft der Unternehmen, auch bei schlechter Auftragslage die guten Leute zu halten, ist sehr groß. Dabei spielen nicht nur die hohen Kosten für die Neu-Rekrutierung und die Einarbeitung bei anziehender Auftragslage eine Rolle.
Für die Personalverantwortlichen bedeutet das, langfristige Strategien für die Personalarbeit im Unternehmen zu entwickeln, die die großen Herausforderungen wie den strukturellen Fachkräftemangel oder “Schaffung einer Flexibilitätsreserve” adressieren. Gleichzeitig müssen sie flexibel genug sein, um auf kurzfristige Änderungen schnell mit den richtigen taktischen Maßnahmen reagieren zu können.
Freiraum für Rekrutierung und andere strategische Personalaufgaben schaffen
Angesichts des strukturellen Fachkräftemangels in Deutschland dürfte sich die Rekrutierung von Fach- und Führungskräften zur größten Herausforderung innerhalb der Personalstrategie vieler Unternehmen entwickeln. Denn der Wettbewerb um die geeigneten Kandidaten wird noch größer als er es zu den wirtschaftlichen Hochphasen in 2007 war.
Diesen Trend haben Anbieter von Human Resources Business Process Outsourcing (HR BPO) aber auch führende Personaldienstleister erkannt und die Dienstleistung Recruitment Process Outsourcing (RPO) entwickelt. Somit treffen in diesem Dienstleistungsmarktsegment in Deutschland Anbieter verschiedener Typologien aufeinander: Neben führenden HR BPO-Anbietern wie TDS HR Services & Solutions sind hier beispielsweise Personaldienstleister wie die Volkswagen-Tochter Autovision oder mit internationalen Strukturen die Adecco-Gruppe oder Kelly Services erfolgreich aktiv.
Die Bandbreite der Services reicht von der Übernahme des Bewerbermanagement-Prozesses und die Übernahme des Schriftverkehrs bis hin zur Durchführung von (Online-)Assessment-Centern sowie weiteren Services bis zur Vertragsunterzeichnung.
Auf diese Weise gewinnen die Personalverantwortlichen in den Auftraggeber-Unternehmen Zeit für die Auswahl der richtigen Mitarbeiter, die Etablierung erfolgreicher Bindungs- und Entwicklungs-Systeme sowie zukunftsfähiger Rekrutierungs-Strategien. Denn mit den klassischen Stellen-Marketing- und Rekrutierungsmethoden wird eine riesige Zielgruppe bisher nur unzureichend erreicht: Die große Gruppe der passiv-suchenden Kandidaten. Diese Kandidaten suchen zwar nicht aktiv auf Job-Börsen, sind jedoch bei einem attraktiven Angebot durchaus wechselbereit.
BPO von Personalverwaltungsaufgaben
Während der Schwerpunkt der meisten Personaldienstleister auf dem Geschäftsmodell der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) liegt, mit dem sie den Auftraggeber-Unternehmen mehr Flexibilität in der Personalstruktur verschaffen, entlasten HR-BPO-Anbieter die Auftraggeber-Unternehmen durch Übernahme von Personalverwaltungsaufgaben, etwa Durchführung der Lohn- und Gehaltsabrechnung, das Reisekostenmanagement, die Seminarverwaltung oder das Führen der elektronischen Personalakte.
Der Markt für Business Process Outsourcing von Personalaufgaben (Human Resources Business Process Outsourcing, HR BPO) hat sich dabei in den letzten Jahren stark ausdifferenziert und eine hohe Marktreife erreicht. Das Leistungsspektrum hat sich stark verbreitert, die Kostenstrukturen sind sehr transparent. Auch die Modelle der Zusammenarbeit sind flexibler geworden und reichen von der Nutzung der Personalsoftware als Service (Software as a Service) bis hin zu umfangreichen BPO-Services einschließlich der Übernahme von Mitarbeiter. Aufgrund der vielen erfolgreichen Kundenprojekte verfügen die Anbieter über einen großen Erfahrungsschatz und Best Practices für die Gestaltung der Verträge sowie der Service Levels, die die Basis für die dauerhafte Leistungserbringung darstellen.
Bedeutung der Prozessberatung für den Projekterfolg
Eine wichtige Basis für die Steuerung des BPO-Partners sind Service Level Agreements. Darüber hinaus kommt es darauf an, die internen Prozesse, Aufgaben und Rollen für die Personalorganisation beim Auftraggeber-Unternehmen neu zu definieren und im Rahmen von Zielvereinbarungssystemen kontinuierlich zu überwachen und weiter zu entwickeln. Ansonsten besteht die Gefahr, dass an der Schnittstelle zwischen Auftraggeber-Unternehmen und dem Dienstleister Mehrkosten entstehen, die sich bei wachsamer Steuerung der internen Prozesse vermeiden ließen.
Ein Beispiel sind so genannte Incidents. Hier geht es darum, ob beispielsweise ein Fehler in einer Lohn- und Gehaltsabrechnung vom Dienstleister verursacht wurde, oder ob eine fehlerfrei erstellte Abrechnung nachträglich vom Auftraggeber geändert werden sollte, beispielsweise aufgrund der Gewährung von Sonderzulagen. So gehen Fehler, die durch den BPO-Dienstleister verursacht wurden, zulasten des Erfüllungsgrades vereinbarter Service Levels. Es wird deutlich, dass der Dienstleister ein hohes Eigeninteresse hat, diese Fehlerquote gering zu halten. Im Gegenzug bedeuten viele nachträgliche Änderungen des Auftraggebers zusätzliche Leistungen, die abgerechnet werden können. Von daher ist es im Eigeninteresse des Auftraggebers, die eigene Organisation entsprechend sorgfältig zu steuern.
Typisch in der Praxis des HR BPO sind Vertragslaufzeiten von drei bis fünf Jahren. Sie erstrecken sich damit auf einen Zeitraum, in dem ein Unternehmen durch verschiedene Entwicklungsphasen laufen kann, von starkem Wachstum bis zu einem Umsatzrückgang. Doch trotz mehrjähriger Laufzeiten schaffen sich die Personalverantwortlichen mehr Flexibilität: Zum einen sind in den Verträgen inzwischen meist dynamische Elemente zur Kostenentwicklung enthalten. Auf diese Weise werden Veränderungen der Marktpreise auch während der Laufzeit abgebildet. Zum anderen sind die BPO-Services sehr transaktionsorientiert, so dass bei weniger Aufwand auch weniger Kosten anfallen.
Das gilt auch für die Unterstützung des Bewerbermanagements bei der Rekrutierung: Gehen weniger Bewerbungen ein, reduzieren sich die anfallenden Kosten automatisch. Zukünftig dürfte sich daher manches Unternehmen, das RPO nutzt und im Schatten großer attraktiver Arbeitgebermarken agiert, kurzfristig steigende Aufgaben an den RPO-Partner wünschen. So können langfristig die richtigen Mitarbeiter entwickelt und gebunden werden können.
Buch-Hinweis: Überarbeitete und erweiterte Neuauflage erschienen am 9.11.2010
Thomas Eggert/Hartmut Lüerßen: Business Process Outsourcing von Personalaufgaben – Dienstleister präzise auswählen und flexibel einsetzen, Wolters Kluwer Deutschland GmbH, 2. Auflage, Köln 2010. ISBN 978-3-472-07880-7.