5. IT-Gipfel: Große Pläne, kleine Schritte
Brauchen wir den Internetminister, der das Politikversagen beim Datenschutz in den Griff kriegen soll? Die fünfte Runde der Austauschveranstaltung zwischen Wirtschaft und Politik ist zu Ende und auch 2010 wurde die Forderung nach mehr Sicherheit im Netz laut.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der den IT-Gipfel in Dresden eröffnete, nannte das Thema IT-Sicherheit eine gewaltige Herausforderung und eine “Daueraufgabe”. Dass dem so ist, zeigt auch ein Vergleich mit den Forderungen, die 2009 verlautbart wurden. Damals wurde zum Beispiel ein für alle Web-Nutzer verbindlicher Viren-Schutz gefordert. Immerhin entstand im Rahmen des IT-Gipfels die Aktion Botfrei. Hier informieren Internetprovider ihre Kunden, wenn sie mit einem infizierten Rechner ins Netz gehen. Doch leider hat diese Aktion noch nicht die gewünschte Reichweite, ist kaum bekannt und auch über Google nicht optimal angebunden. Sicherheit ist also nach wie vor ein Thema. Wie Brüderle anführte, entstehen der deutschen Wirtschaft Schäden in dreistelliger Millionenhöhe.
Der Bundeswirtschaftsminister sieht aber nicht nur die Schäden für die Privatwirtschaft, sondern sorgt sich auch um die Gefahren eines Cyberkriegs: “Man muss sich darum kümmern, dass wir nicht zusätzlich verletzlich werden und man uns lahm legen kann.” Politik und Wirtschaft müssten sich stärker gegen solche Gefahren absichern. Neben einer Arbeitsgruppe der Bundesregierung wolle nun auch Brüderle im Wirtschaftsressort die “Taskforce IT-Sicherheit” ins Leben rufen.
Leere Worte für den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der den IT-Gipfel scharf kritisiert: “Die Politik verharrt weiter in der Zuschauerrolle, während das Ende der Privatheit im Netz schnell näher rückt”, so BDK-Chef Klaus Jansen gegenüber der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ebenfalls auf dem IT-Gipfel zu Gast war, solle Netzpolitik zur Chefsache machen, fordern die Kriminalbeamten.
“Wir brauchen einen Internetminister im Kanzleramt, der die drängenden Probleme mit Nachdruck und aus einem Guss löst”, so Jansen. Kompetenzgerangel der beteiligten Ministerien, Unkenntnis und Sorglosigkeit führten zu Politikversagen.
BDK-Chef Jansen forderte auch schärfere Regeln zum Schutz der Persönlichkeitsrechte im Internet: Provider sollten verpflichtet werden, rechtswidrige Inhalte nicht zuzulassen. “Und wer es unterlässt, rechtswidrige Daten herauszufiltern, dem müssen spürbare zivil- und strafrechtliche Sanktionen drohen”, verlangte Jansen. Viele Fragen der strafrechtlichen Providerhaftung seien bisher noch nicht geklärt. Deshalb würde auch gegen Provider nur sehr zurückhaltend ermittelt, kritisiert Jansen.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere aber macht sich für eine moderate Position bei Fragen der Privatsphäre auf Diensten wie “Street View” stark. Die Politik dürfe die wirtschaftlichen Chancen solcher Plattformen nicht verhindern. Bei der Veröffentlichung von Personenprofilen verfechtet der Minister jedoch die häufig genannte “rote Linie”. Auch Brüderle sprach sich für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Datenschutz und wirtschaftlichen Interessen aus.
“Für die IT-Branche ist Datenschutz eine Schicksalsfrage”, kommentierte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner den Gipfel. Der von de Maiziere angestoßene Datenschutz-Kodex sei wichtig, aber nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssten. Letztlich sieht die CSU-Politikerin aber die Verbraucher selbst in der Pflicht, für den Schutz ihrer Daten zu sorgen. Sie wünscht sich dagegen eine Art Verfallsdatum für private Daten im Web. “Es gibt ein Recht auf Vergessen, auch im Internet”, erklärte die Verbraucherschutzministerin der Rheinischen Post. 2009 hatte Aigner noch gegenüber dem Handelsblatt die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts kritisiert, die die Herausgabe von Internetdaten an schwere Straftaten knüpfte. “Angesichts dieser Restriktionen muss sich der Staat fragen, ob er Gefahr läuft, einen rechtsfreien Raum zu schaffen”, so Aigner damals.
Die Opposition wertet das folgendermaßen: “Der offene Widerspruch im Bundesinnenministerium, die Nutzerinnen und Nutzer mit einer verfassungsrechtlich problematischen, anlasslosen und präventiven Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung überwachen zu wollen, großen Unternehmen aber im Hinblick auf besseren Daten- und Verbraucherschutz keine Grenzen zu ziehen, offenbart eine krassen Wertungswiderspruch und eine gänzlich falsche Prioritätensetzung”, so Konstantin von Notz, Sprecher für Netz- und Innenpolitik der grünen Bundestagsfraktion. Der Appell an die Nutzerinnen und Nutzer, sich vor allem selbst zu schützen, “unterstreiche den Mangel an Ernsthaftigkeit der Bundesregierung”, so Notz weiter.
Abseits des politischen Schlagabtausches lagen die Schwerpunkte des IT-Gipfels aber noch auf anderen Problemen. Prof. Dr. Christoph Meinel, Direktor und Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Institutes sieht in dem Gipfel nur eine Abschlussveranstaltung, dem ein mehrmonatiger Austausch zwischen Politik und Wirtschaft vorausgegangen sei. Neben Sicherheits-, Vertrauens- und Neutralitätsfragen seien es vor allem die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die “so gestaltet sein müssen, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb mithalten kann”. Vor allem die Frage nach den geeigneten Fachkräften verlange nach neuen Regelungen.