“Facebook ist außer Kontrolle geraten”, wird Zuckerberg zitiert. Und es sei besser so: “Ohne Facebook müssen die Leute rausgehen und wirkliche Freundschaften schließen. So etwas ist immer gut.”
Eine Klasse-Story! Aktuell, exklusiv, von allgemeinem Interesse und mit einer Moral von der Geschicht’. Sowas haben Schreiber gerne. Der einzige Schönheitsfehler: Sie ist halt in dieser Weekly World News erschienen.
Diese Publikation berichtet ansonsten über Mike Tysons sodomitische Neigungen – er soll auf weiße Tauben stehen – über den Angriff goldfressender Termiten auf Ford Knox, darüber, dass Hitler eine Frau gewesen sei, und über die Entdeckung von Noahs zweiter Arche. Ihre Seriosität liegt in etwa zwischen Titanic und RTL2. Sie ist nicht ganz so ernstzunehmen wie das Satiremagazin, aber auch nicht so bizarr wie der Privatsender.
Aber letzte Woche hatten etablierte Medien ja die noch viel phantastischere Meldung verbreitet, dass dieses Unternehmen, das real aus nicht viel mehr als ein paar Allerwelts-Rechnern besteht, jetzt 50 Milliarden Dollar wert sein soll. Da ist es nur konsequent, dass die einzige plausible Nachricht über Facebook jetzt von der Weekly World News kommt.
Überhaupt schlägt in letzter Zeit die Virtualität ja ganz massiv zurück. Menschen haben sie sich erdacht. Aber jetzt bestimmt sie die Wirklichkeit.
Bei den Landtagswahlen im März in Rheinland-Pfalz tritt etwa als CDU-Spitzenkandidatin eine Frau an, von der kaum mehr bekannt ist, als dass sie ein sehr inniges Verhältnis zu den stärksten Triebfedern der Virtualität hat, dem Alkohol und dem Web 2.0.
Julia Klöckner war 1995 Deutsche Weinkönigin. Und 2009 twitterte sie, noch bevor das Wahlergebnis zum höchsten hiesigen Staatsamts bekannt gegeben war: “#Bundesversammlung Leute, Ihr könnt in Ruhe Fußball gucke. Wahlgang hat geklappt!”.
Das scheint wohl, als Qualifikationsnachweis auszureichen, um sich zur Ministerpräsidentin eines wirklichen Bundeslandes wählen zu lassen. – 894 Freunde hat Julia Klöckner auf Facebook. So viele dürften es in ihrer zerstrittenen Partei nicht sein.
Und am Samstag werden wahrscheinlich gleich mehrere Golden Globes für “The Social Network” verliehen, also für eine Hollywood-übliche nicht-wirkliche Adaption der Unwirklichkeit. Es ist apokalyptisch!
“Wenn der letzte Baum gefällt ist…”, beginnt die Weissagung der Cree. Als chronisch verblüffter Beobachter der Virtualität fragt man sich allerdings eher, was sein wird, wenn tatsächlich der allerletzte Abgeordnete bei Facebook angemeldet ist, außer der Aigner, Ilse, versteht sich. – Dann wird auch die Kirche, der ja auf vergleichbarem Gebiet eine hohe Expertise nachgesagt wird, das virtuelle Leben entdecken.
Das war ja auch so eine Meldung in dieser Woche: Die badische Oberkirchenrätin Karen Hinrichs sagte dpa: “Was uns fehlt, sind Seelsorge-Angebote – auch in sozialen Netzwerken wie Facebook.” – Oje, Oberkirchenrätin!
Können Sie Ihre diesbezüglichen Absichten mit Ihrem christlichen Gewissen wirklich vereinbaren? – Gut, das mit Mark Zuckerberg geht ja ausweislich der Heiligen Schrift in Ordnung, heißt es doch in den Sprüchen Salomons – in Kapitel 10, Vers 22: “Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe.”
Und auch die Spekulanten, die diesen Youngster finanzieren, werden reich entlohnt werden, wenn auch nicht unbedingt in dieser Welt. Denn im 2. Korinther-Brief, Kapitel 9, Vers 7, lesen wir: “Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.”
Aber Sie kennen ja sicherlich auch die Geschichte aus dem Alten Testament (Deuterium, Kaptitel 32, Vers 8): “Sie sind schnell von dem Wege getreten, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben’s angebetet und ihm geopfert.”
Die Geschichte vom goldenen Kalb. In der Virtualität geht die so: Der Virenforscher von Sophos Graham Cluley hat auf Facebook einen grünen Plastikfrosch angemeldet. Und ein Drittel der kontaktierten Nutzer hat dem dann persönliche Daten geopfert, wie Mail-Adresse, Geburtsdatum, Angaben zu Konsumgewohnheiten und sexuellen Präferenzen.
Dagegen ist das goldene Standbild aus der Geschichte Israels doch wohl wirklich nur ein knudeliges Kälbchen. Überhaupt ist Facebook so etwas wie das Wikileaks des kleinen Mannes. Und da wollen, Sie, Frau Oberkirchenrätin, Seelen umsorgen?
Sie sollten sich vielleicht einmal gründlicher Gedanken über das Leben jenseits der allenthalben bekannten Wirklichkeit machen. Denn wie das mit dem Second Life in der digitalen Virtualität ausgegangen ist, das wissen wir inzwischen ja alle.
So, Schluss für heute. Der Schreiber hat jetzt keine Zeit mehr, weil er gleich mit seinen Freunden chatten will. Nein, nicht bei Facebook, sondern beim Franz in der Wirtschaft.
Da geht’s jetzt hin, aber nur auf zwei Halbe. Das Bier beim Franz ist nämlich gut. Und wenn man mehr davon trinkt, dann holt einen wieder diese Virtualität ein.
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