Deshalb werden viele Prominente erschrieben, gerne auch “herausragende Persönlichkeiten” genannt, von denen man zumindest Letzteres gar nicht annehmen sollte. Fast jeder taugt dazu, wenn er nur genügend Macht, Geld oder beides hat.

Über die Persönlichkeit der Herausragenden lässt sich dann trefflich fabulieren. Das entbindet einen der Mühe, darüber nachzudenken, was sie mit Geld und Macht denn so anfangen.

Und so liest sich der Wirtschafsteil vieler Tageszeitungen inzwischen wie ein People-Magazin und hat sich zu einem gedruckten Gehege für Alphatiere entwickelt. Leute, die man ansonsten eher mit einem vulgärsprachlichen Begriff charakterisieren würde, welcher ebenfalls mit “A” beginnt.

Auch über Politik nachzudenken, ist anstrengend. Deshalb wurde Karl-Theodor zu Guttenberg erfunden.

Kein Journalist muss sich seitdem mehr den Kopf über so etwas Kompliziertes wie Verteidigungs- oder Wirtschaftspolitik zerbrechen. Er kann seinen Job schließlich auch erledigen, indem er so abseitigen Fragen nachhängt wie: “Sind Adelige die besseren Politiker?” (Bild vom 28.8.2010) oder: “Kommt jetzt der Adel wieder, weil er einfach das bessere Führungspersonal liefert?” (“Hart aber fair” vom 27.10.2010).

Einen Einschnitt in der Geschichte des Journalismus stellt dies insoweit dar, als dass im hiesigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen erstmals die gleiche Absonderlichkeit abgehandelt wurde wie in der Bildzeitung, nur halt etwas komplizierter formuliert.

Am nachhaltigsten allerdings nutzt das Privatfernsehen den wertvollen medialen Rohstoff Prominenz. Es verwertet ihn sogar noch nach Ablauf seines Verfallsdatums.

So ließ etwa RTL Heide Simonis bei Let’s Dance tanzen. Und Rainer Langhans schickte der Sender ins Dschungelcamp. Bei solchen Anlässen denken dann auch Schreiber, die es ansonsten nicht so mit Promis haben, über die Persönlichkeit von ehemals Herausragenden nach.

Prominente aus der IT-Industrie wiederum mussten sich bislang noch nicht von RTL recyceln lassen. Sie kaufen sich statt dessen nach ihnen benannte Fußballstadien oder Universitätsinstitute.

Viele IT-Journalisten haben in der Branche jene Reichhaltigkeit an human Touch, die ihren Kollegen aus anderen Ressorts die Arbeit doch so erleichtert, lange Zeit schmerzlich vermisst. Leute, die wirklich das Zeug zum Promi haben, waren einfach rar.

Bill Gates gibt mittlerweile das Geld, das er mit schlechter Software verdient hat, für gute Zwecke aus. Und Steve Jobs taugt nur als Lichtgestalt fürs im Hochpreissegment shoppende Publikum.

Zum Glück hat sich die Situation zum Jahreswechsel gründlich geändert. Mark Zuckerberg kam aufs Cover des Time Magazine. Und selbst der Promi-Darsteller Jesse Eisenberg, der den Facebook-Gründer in The Social Network spielte, wurde dafür mit allen nur erdenklichen Filmpreisen ausgezeichnet.

Und dann noch der Chefwechsel bei Google! Es ist mühselig, darüber zu schreiben, wie Suchmaschinen- und Netzwerker-Konzern darum konkurrieren, wer am profitabelsten Nutzerdaten abgreift. Aber Larry Page gegen Mark Zuckerberg – der Kampf zweier Jungmilliardäre, das ist doch eine Geschichte, bei der es so richtig menschelt!

Die Kulisse für das Drama wird zur Zeit eifrig zusammengeschrieben: Google ist mit dem neuen CEO zur ehemaligen “Garagenfirma” geworden, so etwa das Hamburger Abendblatt vom 23., die Stuttgarter Zeitung vom 22. und Spiegel Online vom 20.1.2011.

Eigentlich ist es ja gemein, einen HTML- und Crawler-Programmierer zum Code-Schreiben in eine Garage ohne AirCo schicken zu wollen. Aber für eine Computer-Story mit human Touch muss das schon sein.

Gerade noch rechtzeitig sind die beiden jungen IT-Heldengestalten im Scheinwerferlicht erschienen. Denn die drögen Fakten deuten bereits auf eine Zuspitzung der Handlung hin. Virtuelle Klitschen sammeln schon wieder mehr Kapital ein als reelle Unternehmen.

Irgendwann platzt auch Dot.com 2.0. Und dann werden weitere Promis gebraucht. Dann müssen die Rollen, die Bernard Ebbers, Rudolf Zawrel, Bodo Schnabel und Alexander Falk im vergangenen Jahrzehnt spielten, neu besetzt werden. Aber das wird eher das Dschungelcamp der IT. Kakerlaken wird’s dort nicht geben. Aber jede Menge Bugs dürften dann wieder mal entdeckt werden.

Silicon-Redaktion

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