Ein mittelständischer Automobilzulieferer entschließt sich zur Einführung eines ERP-Systems. Das Unternehmen betraut deshalb einen Dienstleister mit der Einrichtung eines Standardsystems sowie dessen Weiterentwicklung und Wartung. Alle Vorkehrungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektes scheinen getroffen: Die Anforderungen an die Weiterentwicklung der Software sind bereits definiert und ein Standardsystem wird zügig ausgewählt. Auch die Budgetfrage wird geklärt: Neben einem Festbetrag zu Beginn wird eine laufende Zahlung für die Weiterentwicklung und Wartung vereinbart. Das passt in den Budgetrahmen des Kunden und entspricht ebenso den Gewinnerwartungen des Anbieters.
Dennoch steht das Projekt nun nach mehreren Jahren erfolgreicher Projektarbeit plötzlich vor dem Aus. Die Folge: beide Vertragspartner halten ihre jeweiligen Leistungen zurück und streiten sich über jede Kleinigkeit. Die Fronten scheinen derart verhärtet, dass neben dem Projektstillstand nun eine langwierige und kostspielige rechtliche Auseinandersetzung droht.
Wie sich im Nachhinein schnell herausstellt, ist der lückenhafte Projektvertrag die eigentliche Ursache des Problems. Für den Fall einer dynamischen Entwicklung des Projektes waren die Regelungen zu grob getroffen. Damit haben die Vereinbarungen bei Projektstart dessen dynamischen Verlauf nicht genau genug geregelt. Die Weiterentwicklung und Individualisierung der Software waren aufwändiger, als ursprünglich geplant. Die anfänglichen Schätzungen haben sich mit der Zeit als völlig unzureichend erwiesen. Aus Sicht des Zulieferers ein nicht ungewöhnlicher Vorgang, denn, wie in der Branche, üblich musste er durchaus damit rechnen, dass sich das Anforderungsprofil des Projektes aus seiner Sicht im Laufe der Zeit wesentlich ändern könnte. Der Anbieter steht da allerdings auf einem ganz anderen Standpunkt. Er sieht solche Mehraufwände nicht mehr als Vertragsbestandteil an und stellt die Zusatzkosten zum vertraglich vereinbarten Betrag in Rechnung. Und nicht nur das: Er verlangt auch einen Aufschlag auf seine bisherigen Tagessätze auf Grundlage der Inflation der letzten Jahre.
Diese nachträglichen Forderungen des Anbieters sind kein Einzelfall. Viele Auftraggeber sitzen dem Irrglauben auf, dass aufgrund einmalig definierter Leistungen, die Zahlung an den Anbieter komplett verabschiedet sei. Der Teufel liegt in der Dynamik von IT-Projekten, die im Vertrag nicht durch entsprechende Regelungen erfasst wurden. Durch schnelle technologische und wirtschaftliche Entwicklungen ändern sich während der Durchführung eines Projektes auch dessen Anforderungen und Erwartungen an die vereinbarten Leistungen.
Derart veränderte Umstände während eines auf mehrere Jahre angelegten Projekts sind dabei für jede der Vertragsparteien von Bedeutung. Denn neben der Veränderung der Anforderung an die IT-Hauptleistung (wie z.B. die individuelle Erstellung oder laufende Anpassung von Software, das Outsourcing und/oder Hosting von IT-Anwendungen) muss auch die Inflation berücksichtigt werden, die durch die Entlohnung im Verlauf eines Projekts immer mehr an Wert verliert. Genau diese Veränderung gilt es bereits zu Projektbeginn in einem IT-Vertrag zu berücksichtigen und zu regeln – nur so werden Unstimmigkeiten im Verlauf eines längeren Projektzeitraumes vermieden.
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