Finance 2.0: Blick in die Bankenwelt der Zukunft

Am Ende der Veranstaltung standen die insgesamt vier vom fachkundigen Publikum gekürten Gewinner fest. Dazu gehört
eToro, eine Online-Handelsplattform für Börsenprodukte wie Devisen, Rohstoffe und Indizes. Das Geschäftsmodell basiert im Wesentlichen auf dem CopyTrader, direkt integriert in das so genannte OpenBook, dem Social Trading Network von eToro.

Das OpenBook soll den Finanzhändlern in Echtzeit relevante Daten über Positionen, Gewinne und Strategien der anderen Händler bereit stellen. Und es eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, eigene Transaktionen und Erfolge über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und LinkedIn mitzuteilen.

Einige der rund drei Dutzend Unternehmen, die auf der europäischen Version der Finovate vertreten waren, sind alles andere als Eintagsfliegen. Nicht wenige der Firmen gehören in ihrer jeweiligen Marktnische sogar zu den heißen Insidertipps. So ist die Trading-Lösung von eToro nicht nur in zwölf Sprachen verfügbar, sie wartet nach deren Angaben zudem mit einem aktiven Kundenstamm von 1,5 Millionen Nutzern auf. Nun schickt sich das Unternehmen an, auch den deutschen Markt zu erobern.

Auch aus Island gibt es Neues und nicht nur Schlechtes zu verzeichnen, wie sich Moderator Chris Skinner einen Seitenhieb zur Finanzkrise nicht ganz verkneifen konnte. Das junge Unternehmen Meniga etwa, offeriert für Banken als Drittanbieter (White-Label-Lösungen) übersichtliche Anwendungen, mit deren Hilfe die registrierten Endkunden der Bank ihre persönlichen Finanzen übersichtlicher verwalten können (Personal Finance Management, kurz PFM).

PFM läutet jedoch alles andere als die große Revolution am Bankenmarkt ein, sondern stellt lediglich ein nützliches Zusatzelement dar, um die Kundenbeziehung zu stärken. Wer weiß schon ganz exakt am Ende des Monats, wofür er oder sie sein Geld ausgibt? Vom Publikum ebenfalls gekürt wurde Finantix, eine Lösung für die Vermögensberatung, letztlich auch dies eine Lösung zur Unterstützung der Verkaufsabteilung.

Ganz oben in der Riege der vier Präsentationsblöcke landete zudem Liqpay, ein Zahlungssystem für das Überweisen via Handy bzw. Internet. Zu den in der Szene der Finanzdienstleistern 2.0 seit längerem angesagten Newcomern gehört auch Yodlee, die ihre Finanzdienstleistungen und Plattformen sowohl für Entwickler als auch für professionelle wie private Kunden anbieten.

Aber auch ein Finanzinstitut selbst kann neue Wege beschreiten. Der einzige deutsche Teilnehmer, die Münchner Fidor Bank AG, trat die Heimreise von der Finovate zwar ohne Lorbeerkranz seitens des Publikums an. Das erste deutsche Web-2.0-basierte Finanzinstitut überzeugte dennoch die kritischen Marktbeobachter mit seiner eWallet (Money Deck), mit deren Hilfe der Nutzer ein breites Spektrum an finanziellen Geschäften in Eigenregie tätigen kann.

Abgesehen von der Präsenz der Fidor Bank blieben die Vertreter von Banken und Versicherungen dem Event weitgehend fern. Das zeigt, dass die Welt von Social Media und dem Web 2.0 noch immer Fremdkörper im Kerngeschäft der Global Player in der Finanzindustrie darstellen, ein Geschäft, das nach eigenem Bekunden künftig stärker auf Augenhöhe mit dem Kunde betrieben werden will.

Was dem Markt der (Social) Finance 2.0 in den nächsten Jahren indes jenseits von bloßen Absichtserklärungen und schönen Worten einen deutlichen Aufschwung verleihen dürfte, ist der Markt für das mobile Bezahlen. In der schieren Anzahl der Vorträge ging gerade dieses Thema ein wenig unter. Dabei verbirgt sich hinter weitgehend unbekannten Unternehmen wie dem IT-Dienstleister Boku ein höchst lukrativer Milliardenmarkt.

Der Dienstleister ist in über 65 Ländern einschließlich Großbritanniens aktiv. Er stellt seine Dienste für 220 Mobilfunk- und Internetanbieter bereit. Das Geschäftsmodell ist wenig kompliziert: Bei jedem Mausklick, den ein Online-Shopper tätigt, wenn er Waren oder virtuelle Güter im Netz einkauft, verdient Boku indirekt mit, sofern der Nutzer sich dafür entscheidet, per Mobiltelefon zu bezahlen.

Derartige IT-Serviceprovider der mobilen Generation stehen auch bei den IT-Giganten angesichts des zu erwartenden Booms bei mobilen Bezahlverfahren hoch im Kurs. So listete etwa kürzlich das US-Blog TechCrunch Boku als eines derjenigen Unternehmen, das bereits auf dem Radar von Übernahmegerüchten durch Apple oder Google angekommen sei.

Die Liste der prominenten Kunden erweitert sich rasch. Im vergangenen Monat erst gewann Boku Gumtree als Kunden, eine der größten klassifizierten Internetseiten zum virtuellen Shoppingerlebnis in Europa. Die Plattform ermöglicht ihren Nutzern auch das Bezahlen per Mobilfunktelefon.

Schon die Marktanalysten von Gartner sahen vor zwei Jahren in der mobilen Bezahlwelt ein dynamisches Marktwachstum von 70 Prozent jährlich. Die Zahl der Transaktionen via Mobiltelefon könnte im Jahre 2013 immerhin eine Größenordnung von 110 Milliarden Dollar erreichen.

Damit dürfte dieser Trend die Welt der Bezahlverfahren mittelfristig deutlich verändern. Bislang kamen Internet-Bezahlsysteme in den meisten Ländern über eine Randerscheinung kaum hinaus. Das soll sich jetzt durch die neue Welt der mobilen sozialen Netzwerke ändern. So kündigte der führende Kreditkartenanbieter Visa bereits ein eigenes mobiles Bezahlsystem an.

Gefragt wären dazu gleichermaßen innovative wie sichere Bezahlvarianten, zu denen das Gros der auf der Finovate vertretenen Unternehmen derzeit zu tendieren scheint. Apps stehen hoch im Kurs, ebenso zahlreiche weitere mobile Applikationen für das iPhone und andere Endgeräte.

Hält das dynamische Wachstum in den sozialen Netzwerken weiterhin an, so lässt sich schließlich an jedem Mausklick, der mit einem mobilen Bezahlvorgang endet, kräftig mitverdienen. Laut Boku warten bereits 2,5 Milliarden Konsumenten sehnsüchtig auf derartige Dienste. Besonders in Ländern mit hoher Mobilfunkpenetration wie in Südkorea soll nicht nur der Handel von der regen Nachfrage nach digitalen und physischen Gütern profitieren.

Im Gespräch mit silicon.de bekräftigt James Patmore, Managing Director EMEA bei Boku abschließend die eigenen Expansionspläne: “Deutschland ist für uns ein wichtiger Markt im mobilen Bezahlen. Wir rüsten uns dafür, kräftig an dem nun eintretenden Marktwachstum zu partizipieren.”

Lothar Lochmaier arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist in Berlin und schreibt regelmäßig für silicon.de. Er betreibt außerdem das Weblog Social Banking 2.0 – der Kunde übernimmt die Regie

Silicon-Redaktion

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  • PFM: Revolution oder doch nicht?
    Den Satz

    "PFM läutet jedoch alles andere als die große Revolution am Bankenmarkt ein, sondern stellt lediglich ein nützliches Zusatzelement dar, um die Kundenbeziehung zu stärken. Wer weiß schon ganz exakt am Ende des Monats, wofür er oder sie sein Geld ausgibt?"

    möchte ich doch gerne kommentieren:

    Persönliches Finanz Management ist hierzulande noch nicht existent. In angelsächsischen Ländern dagegen ist es ein echter Meilenstein in der Weiterentwicklung des Online-Bankings. Aus Studien wissen wir, dass nicht nur Kundenloyalität und Kundenbindung gesteigert werden, sondern auch einen positiven Ergebniseffekt.

    Vor allem aber zeigt sich, dass die Kunden einen deutlichen Mehrwert in der Nutzung von PFM sehen und Banken damit eine echte Differenzierungsmöglichkeit geboten bekommen.

    Nicht ohne Grund sehen viele Experten und Analysten in PFM einen der wichtigsten Zukunftstrends für Banken.

    Beste Grüße

    Hansjörg Leichsenring

    http://www.der-bank-blog.de

  • Wozu?
    good for nothing oder wie ziehe ich die Kunden am schnellsten und bis auf die Knochen blank über den Tisch

    Grüße
    Gerhard

  • Besser spät als nie
    Ich habe nie verstanden warum die Banken nicht ein paar Zeichen pro Buchung für den Kunden reservieren können. Es wäre schon vor 40 Jahren mit dem Papierkontoauszug möglich gewesen und ist heute mit einer geringen Investition möglich. Einfach eine UID an die Buchung hängen und auf einem anderen Server kann ich Metadaten damit verbinden. Welche Erleichterung wäre das für den Privatmann auf Knopfdruck seine Ein- und Ausgaben am Ende des Jahres übersichtlich ansehen zu können. Und beim B2B Geschäft würde es die Integration, Nachvollziehbarkeit von Buchungsverfolgund dramatisch vereinfachen.

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