2011 – Ballmers letztes Jahr als CEO?
Elf Jahre sitzt Steve Ballmer jetzt auf dem CEO-Stuhl von Microsoft. Jahrelang hatte Bill Gates ihn darauf vorbereitet, und auch danach blieb Gates aktiv im Unternehmen und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Erst seit fünf Jahren hat Ballmer die Unternehmensgeschicke alleine in der Hand – was inzwischen von Vielen als ein Desaster für Microsoft angesehen wird. Spätestens seit der CES erwarten Analysten und Kommentatoren den baldigen Abgang des bulligen Microsoft-Chefs.
Auf dem jüngsten Gartner-Symposium in Orlando wurde Steve Ballmer von den Analysten Neil Macdonald und John Pescatore über seine persönliche Zukunft befragt: “Bill Gates hat Sie über viele Jahre hinweg auf die CEO-Position bei Microsoft vorbereitet, wie steht es um die Vorbereitung eines Nachfolgers für Steve Ballmer?” Ballmer reagierte gereizt: “Ich sehe derzeit keinen Grund dafür, ich bin der beste Mann an der Spitze von Microsoft, ich wähne mich nicht im Rentenalter und es gibt derzeit überhaupt keinen Bedarf für eine solche Nachfolgeregelung”, war seine schroffe Antwort.
Dabei gilt gerade seine Personalpolitik als verheerend. Vor allem das jüngste Ausscheiden des Server-Chefs Bob Muglia wird allgemein als katastrophal eingestuft. Ballmer hatte in einer öffentlichen Erklärung über dessen Ausscheiden den langjährigen loyalen Manager des Versagens bezichtigt. Matt Rosoff vom “Business Insider” versuchte dieses Abkanzeln mit dem “Zahlenkopf” von Ballmer zu erklären (Ballmer hat einen Master in Mathematik, nicht in Betriebswirtschaft oder Informatik). Doch öffentliche Diskreditierungen von Topleuten haben Tradition bei Ballmer. “Damit gewinnt er keine guten Leute, und die, die er hat, bleiben nicht lange”, sagt Stuart Taylor, Chairman von Stone Search Services, eine auf die IT-Welt spezialisierte Personalberatung.
Das scheint zu stimmen. So haben drei Präsidenten, beziehungsweise Senior Executives, in den letzten neun Monaten das Microsoft-Schiff verlassen: Robbie Bach, Stephen Elop und der begnadete Software-Architekt Ray Ozzie, der Bill Gates Position übernommen hatte.
Doch nicht nur mangelnde Personalführung wird Ballmer vorgeworfen. Immer mehr Beobachter und Kenner von Microsoft sehen in ihm das größte Problem für die unternehmerische Weiterentwicklung von Microsoft. Besonders seit seiner extrem schwachen Rede auf der CES zu Beginn dieses Jahres häufen sich die kritischen Stimmen.
Don Reisinger, einer der besten Microsoft-Kenner und US-Kolumnisten, schrieb nach Ballmers CES-Keynote eine feurige Kritik. “Zehn Gründe warum Steve Ballmer gehen muss”, lautete seine Zusammenfassung, in der er an Ballmers Managementleistungen kein gutes Haar lässt. Hier die wesentlichen Vorwürfe:
- Verfehlte Produktpolitik. “Falls Microsoft in diesem Jahr keine bedeutende Rolle bei den Tablets einnehmen kann, gibt es keinen Grund mehr Ballmer an der Spitze zu belassen.”
- Keine Innovationen. “Seit der CES wissen wir, dass Microsoft in der Windows/Office-Vergangenheit haften geblieben ist. Innovatives ist aus Redmond nicht mehr zu erwarten.”
- Versagen bei Windows Phone 7: “5000 Apps sind eine Schmach im Vergleich zu den 200.000 bei Android und über 300.000 beim AppleStore.”
- Kein Fortschritt an der Google-Front: “Google Search dominiert weiterhin bei den Suchmaschinen, Bing spielt keine Rolle und die damit verbundenen Werbeeinnahmen sind zwergenhaft im Vergleich zu Google. Der Packt mit Yahoo erweist sich als eine Loose-Loose-Vereinbarung.”
- Mieser Aktienwert. “Ein Key-Faktor für die Leistungs-Beurteilung eines CEO ist der Unternehmenswert, doch die Aktie dümpelt seit nunmehr fünf Jahren unverändert bei rund 30 Dollar.”
Ballmer verweist bei allen kritischen Anmerkungen stets auf die Verkaufs-Erfolge von Windows 7 und Office. Doch das wird allgemein nicht mehr akzeptiert. “Windows 7 verkauft sich nur deshalb gut, weil Vista ein totaler Flop war und Office ist praktisch die einzige Unternehmens-taugliche Offline-Bürolösung”, sagt Jane Snorek, Technologie-Analystin bei First American Funds.
Gerade bei Office erwarten die Kritiker einen baldigen Showdown, wenn überwiegend nur noch Online-Lösungen zum Einsatz kommen. Zwar versucht Microsoft mit aller Macht – und viel Geld – Anschluss zu gewinnen, aber der Erfolg des iPads und anderer Tablets lässt Schlimmes ahnen.