Daimler migriert 180.000 Arbeitsplätze in die Cloud

silicon.de: Daimler und Microsoft haben im September 2010 gemeldet, dass Sie 180.000 Arbeitsplätze auf Unified Communications umstellen. Was verbirgt sich hinter dieser Meldung?

Dr. Gorriz: Wir haben rund 250.000 Mitarbeiter hier bei Daimler, 180.000 von ihnen arbeiten an einem Rechnerarbeitsplatz. Entweder fest oder mobil. Wir haben heute eine weitgehend zentrale IT-Umgebung, die auf Lotus Notes basiert. Und diese Umgebung wird im Zuge der Migration auf Outlook auf dem Desktop und Exchange-Server umgestellt.
Wir planen zunächst im Massen-Rollout die Umstellung der E-Mails, der Kontakte und der Kalender. Und wir nehmen einen Plattformwechsel der Workflow-Applikationen vor. Die bestehenden Lotus-Notes-Anwendungen werden bis auf weiteres laufen. Und die neuen Collaboration- und Workflow-Applikationen werden auf Windows-SharePoint-Server entwickelt.

silicon.de: Mit welcher Oberfläche arbeiten Ihre 180.000 Kollegen dann auf ihren Desktops? Ist das eine SharePoint-Oberfläche, in die Lotus Notes integriert ist?

Dr. Gorriz: Zu einem Zeitpunkt X wechseln wir von Lotus auf Outlook. Und: wir werden weiterhin beide Clients auf dem Desktop haben. Sowohl Lotus-Notes als auch die SharePoint-Oberfläche. Die bestehenden Notes-Applikationen werden wir weiterhin mit Lotus Notes nutzen können. Allerdings nicht mehr den Mail-Client, sondern nur noch die Notes-Applikationen.


Gorriz: “Viele Arbeitsvorgänge gehen in diesem System schneller, geschmeidiger, einfacher.”
Foto: Daimler

silicon.de: Handelt es sich hierbei um einen langfristigen Zustand?

Dr. Gorriz: Einen festen Endtermin haben wir nicht gesetzt. Auch im gegenwärtigen Business Case haben wir weiterhin vorgesehen, dass wir eine Lotus-Notes-Umgebung aufrechterhalten. Unsere Erfahrung ist, dass wir Jahr für Jahr eine Veränderungsrate von 20 Prozent haben. Wenn wir das hochrechnen, wird das Gros der Lotus-Notes-Applikationen über die kommenden fünf bis sieben Jahre auslaufen.

silicon.de: Das bedeutet den Schutz Ihres bisherigen Investments?

Dr. Gorriz: Ja.

silicon.de: Wir sprechen ja über die Zentralisierung der Mails – das bedeutet Sie haben für 180.000 Arbeitsplätze eine zentrale Exchange-Installation? Ich nehme an die wird zentral in Sindelfingen laufen?

Dr. Gorriz: Nein. Der Betrieb der Installation wird durch einen Serviceprovider sichergestellt, wir nehmen ein “Private-Cloud”-Angebot wahr. Das ist eine Erweiterung gegenüber der Situation, die wir heute haben. Wir suchen einen Serviceprovider, der neben der Private-Cloud auch Exchange und damit alle Mailboxen an einem Standort betreibt.

silicon.de: Welches Unternehmen wird das betreiben?

Dr. Gorriz: Das kann ich nicht beantworten – wir haben momentan zwei Unternehmen im Anbieterverfahren.
silicon.de: Um wie viel Geld geht es bei Ihren Unified Messaging Plänen?

Dr. Gorriz: Zu den Kosten können wir uns leider nicht äußern.

silicon.de: Wie lange werden Sie für einen Return der Kosten rechnen?

Dr. Gorriz: Das ist nicht einfach zu rechnen, entscheidend ist der Betrachtungszeitraum. Wir haben analysiert, dass es für die nächsten Jahre ein neutraler Case sein wird.
Wenn wir allein die IT-Kosten rechnen, gehen wir in einem Betrachtungszeitraum von fünf Jahren von einem positiven Business Case aus. Was wir nicht eingerechnet haben, sind Effizienzverluste durch den Wechsel auf eine neue Umgebung. Und die Effizienzgewinne, die der Wechsel auf eine schnellere und voll integrierte Umgebung mit sich bringt.

silicon.de: Welche Effizienzgewinne sehen Sie?

Dr. Gorriz: Wir haben Modellrechnungen gemacht und die Nutzer in verschiedene Klassen eingeteilt. Da gibt es eine Klasse von etwa 10 Prozent der Nutzer, die sehr intensiv mit Dokumenten umgehen. Und die sehr intensiv mit Onlinemedien und Onlineverfahren arbeiten.
Hier sparen wir mehrere Minuten, weil die Kollegen beispielsweise mit Hilfe der Desktopsuche Dokumente schneller finden. Mit dem Aufbau von Webkonferenzen und Nutzung von anderen Communication-Werkzeugen rechnen wir mit einer weiteren Zeitersparnis. Bei 180.000 Mitarbeitern auf fünf Jahre gerechnet addiert sich dies zu einem signifikanten Wert.

silicon.de: Das heißt im Wettlauf um die Software auf dem Desktop geht es zwischen den Anbietern um einige Sekunden?
Dr. Gorriz: Nein, keine Sekunden, es sind mehrere Minuten pro Tag. Das ist die Größe mit der wir rechnen.

silicon.de: Diese Minuten beruhen allerdings nicht auf einem expliziten Vorteil der jeweiligen Suite eines Anbieters?

Dr. Gorriz: Der Vorteil der gewählten Installation ist die Integration der Mailsysteme in das Betriebssystem, die Datenbanken und in die Arbeitsumgebung. Viele Arbeitsvorgänge gehen in diesem System schneller, geschmeidiger, einfacher. Diese Sekunden und Minuten sammeln wir und kommen so im Ergebnis auf nicht unerhebliche Beträge.

silicon.de: Planen Sie auch den Wechsel des Betriebssystems auf Windows 7?

Dr. Gorriz: Das wird nach dem Wechsel des Mailsystems erfolgen. Wir werden konzernweit auf Windows 7 wechseln.

silicon.de: Wie sieht Ihr Zeitplan aus?

Dr. Gorriz: Wir beginnen mit der Mail-Migration Mitte 2011 und werden das Betriebssystem ab 2012 migrieren.

silicon.de: Bekommen Ihre Kollegen neben den Mails auch die neuen Unified-Messaging-Funktionen wie beispielsweise „Presence“ oder „Chat“?

Dr. Gorriz: Wir werden die volle Unified-Communications-Palette von Microsoft anbieten. Chat und Presence sind eingebunden.
„Presence“ ist für uns sehr wichtig. Zur Reduzierung der Reisetätigkeiten nutzen wir verstärkt Online Collaboration. Webkonferenzen, Chat – sowohl intern wie auch extern – und IP-Telefonie sind Dienste, die unsere Mitarbeiter immer mehr nachfragen. Diese Angebote bauen wir mit einer besseren Arbeitsplatzintegration über Exchange und SharePoint weiter aus.

silicon.de: Wenn wir über Unified Communication sprechen heißt das, dass Ihre PBX-Anlagen und die VoIP-Anlagen bereits mit den Mail- und Desktopsystemen verschaltet sind?

Dr. Gorriz: Richtig. Wir haben zwei parallele Welten. Die Telefone stehen auf dem Tisch und es werden zusätzlich noch die IP-Telefone als Software auf den Desktops ausgerollt. Da sind wir allerdings noch im Prototypen-Status.

Silicon-Redaktion

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