Nach Angaben des Marktforschers Pike Research kam die Smart-Grid-Software-Branche 2010 auf einen weltweiten Umsatz von nur 536 Millionen Dollar. Doch das wird sich ändern: Im Jahr 2015 werden Analysedienste rund um intelligente Stromnetze ein Volumen von 4,2 Milliarden Dollar erreichen, sagt der Marktforscher in der Studie Smart Grid Data Analytics voraus.

Darin heißt es, die durch digitale Strommessgeräte anfallenden Daten müssten in Echtzeit ausgewertet werden. Der Informationsstand eines Stromversorgers werde künftig direkte Auswirkungen auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit haben. “Mit Analysetools für Smart Grids und verwandten Diensten werden Stromversorger in der Lage sein, Einblick ins Verbrauchsverhalten ihrer Kunden zu bekommen, um sie effizienter zu bedienen, Rechnungen zu erstellen, Ausfälle zu kommunizieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Energieerhaltung zu verbessern und Spitzenbelastungen zu senken.”

Derzeit beherrschen noch wenige kleine Spezialisten den Markt. Pike Research zählt Aclara Software, Ecologic Analytics, eMeter, Itron, Olameter und NorthStar Utilities auf. Die Pike-Research-Experten schätzen zudem, dass sich die weltweiten Investitionen in Smart-Grid-Infrastrukturen zwischen 2008 und 2015 auf rund 200 Milliarden Dollar belaufen werden. Das lockt große Player an: Accenture, Hewlett-Packard, IBM, Microsoft, Oracle, SAP, Siemens und Teradata.

SAP will nach eigenen Angaben “eine Führungsrolle bei der Entwicklung und Bereitstellung von IKT-Technologien übernehmen, mit denen die Smart-Grid-Vision realisiert werden kann”. Der Hersteller rechnet sich gute Chancen aus, bietet er doch seit 1989 Software für den Energiesektor an. Rund 1600 Versorger in 70 Ländern nutzen ‘SAP for Utilities’. Ende Januar überreichte SAP EU-Energie-Kommissar Günter Oettinger in Brüssel das White Paper Smart Grids for Europe: Benefits, Challenges, and Best Practices. Darin wird nach SAP-Angaben dargelegt, wie die EU ihre energiepolitischen Ziele mit dem Einsatz moderner ITK-Techniken erreichen kann.

In einer Podiumsdiskussion mit Oettinger wurden Hindernisse der Smart-Grid-Einführung erörtert. Die Teilnehmer sprachen sich dafür aus, einen europäischen Rechtsrahmen und einen einheitlichen Energiemarkt zu schaffen, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln sowie ausreichend Anreize für Privatinvestitionen in Smart Grids zu bieten. “Die Vorteile einer Umstellung auf Smart Grids würde nicht nur den Stromkonsumenten und -märkten zugutekommen, sondern der Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt”, sagte Klaus Heimann, SAP Senior Vice President Service Industries.

Zum gleichen Schluss kommt der Unternehmensberater Frost & Sullivan in der Studie Advances in Smart Grid Technologies. Der steigende Energiebedarf, erhöhte CO2-Emissionen, die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die Einführung von Elektrofahrzeugen hätten intelligente Stromnetzen zu einer Notwendigkeit gemacht, heißt es darin.

Die Entwicklung der Smart-Grid-Technologie werde hierbei durch die wachsende Zahl von an das Netz angeschlossenen Endverbraucher, steigender Strompreise und häufiger Blackouts vorangetrieben. Laut Frost & Sullivan beschleunigen Unternehmen derzeit die Installierung von ‘Smart-Meters’ – intelligenten Stromzählern, die eine Art Vorstufe in der Einführung von Smart-Grid-Technologien darstellten.

“Der Smart-Grid-Markt hat bereits in den USA und Europa an Terrain gewonnen und dieser Aufwärtskurs dürfte auch mit der nun einsetzenden großräumigen Einführung anhalten”, sagte Tomasz Kaminski, Technical Insights Research Analyst bei Frost & Sullivan. “Andere Technologien, wie erneuerbare Energien, E-Fahrzeuge und dezentrale Erzeugung werden die Auswirkungen des Wachstums des Marktes für intelligente Stromnetze zu spüren bekommen.”

Bevor der Betrieb von Smart Grids anlaufen könne, müssten jedoch noch Hindernisse überwunden werden. Eine der größten Herausforderungen sei die Gewährleistung von verlässlicher und schneller bidirektionaler Kommunikation zwischen allen Elementen des Stromnetzes. Die Implementierung von Smart Grids bedürfe vieler technologischer Veränderungen.

“Verschiedene Elemente des Stromnetzes müssen miteinander zusammenarbeiten, um eine gute Kommunikation, Kontrolle und ein erfolgreiches Management seiner Elemente zu gewährleisten”, so Kaminski. “Daher ist die Zusammenarbeit zwischen den F&E-Abteilungen von verschiedenen Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um das Konzept der Smart Grids zu verwirklichen.”

Auch bremsten das niedrige Verbraucherbewusstsein und die hohen Investitionskosten die Stoßkraft des Marktes, sagte der Analyst. Die Verbraucher ließen sich nur zögernd auf neuartige Technologien ein und entschlössen sich oft für Altbewährtes. Zudem würden die Verbraucher von den zusätzlichen Kosten für die Technologie abgeschreckt. Die beiden Faktoren, die für die Einführung der neuen Smart-Grid-Technologien ausschlaggebend sein werden, seien Verbraucherakzeptanz und die Energiepreise auf dem kommerziellen Markt.

Um die Hemmnisse zu beseitigen, hätten Unternehmen des Sektors begonnen, ihre Kräfte zu vereinen. Sie installierten Smart Meters und andere für Smart Grids wichtige Elemente in Gewerbegebäuden und privaten Haushalten, ohne dafür von Verbrauchern Entgelt zu fordern. Für die Unternehmen stelle dies eine Möglichkeit dar, die Sichtbarkeit der Produkte zu verbessern. Die Endverbraucher würden so mit der Technologie vertraut gemacht.

Erfolgsfaktoren für den Smart-Energy-Markt hat Detecon erarbeitet. Im Opinion Paper Smart Energy: Neue Werte aus den Energienetzen der Zukunft gibt der Berater Energieversorgern Handlungsempfehlungen, wie sich diese auf neue Geschäftsmodelle vorbereiten sollten.

Mehrwertdienste wie “Energie-Apps”, die Verbrauchern einen intelligenten Umgang mit Strom ermöglichen, bringen Versorgern demnach Wettbewerbsvorteile. “Energieversorger investieren heute in Smart Metering, um regulatorische Vorgaben zu erfüllen und Kernprozesse zu optimieren”, sagte Dr. Volker Rieger, Partner bei Detecon und einer der Autoren des Opinion Paper. “Mehrwertdienste stellen sozusagen ein einfaches Abfallprodukt dar, etwa für die Echtzeitanzeige des Stromverbrauchs im Internet, inklusive Vergleichswerten und Spartipps.” Auf einer entsprechenden Webseite könnten Versorger einen Dialog mit Kunden entwickeln und sogar Einnahmen durch Dritte generieren.

Obwohl im Detail noch nicht abzusehen sei, welche Informationsprodukte Stromkunden in Zukunft wünschten, müssen Unternehmen bereits heute entscheiden, welche Messdaten sie aus dem Netz in welcher Menge und Qualität erheben und speichern wollen. Um diese Bewertung vornehmen zu können, empfiehlt Detecon mögliche Geschäftsmodelle für Informationsprodukte zu entwickeln. Hilfestellung könnten hierbei systematische Vergleiche mit datenzentrischen Geschäftsmodellen aus anderen Bereichen bieten: von den Online-Medien bis hin zur Konsumgüterindustrie.

Da Informationen durch die Verknüpfung mit anderen Daten angereichert werden, wird an die Stelle der klassischen Wertschöpfungskette mit wenigen dominierenden Anbietern laut Detecon ein Wertschöpfungsnetzwerk mit vielen Beteiligten treten, das sogenannte “Smart-Energy-Ökosystem”. Diese Entwicklung werde durch neue Marktteilnehmer wie zum Beispiel Hausgerätehersteller, Internet-Informationsdienste, Wohngebäude-Gesellschaften und sogar Hersteller von Elektroautos vorangetrieben. Für jeden Akteur dieses Netzwerks sei es wichtig, durch die richtige Partnerwahl für Endverbraucher attraktive Angebote zusammenzustellen, um beispielsweise Nebenkosten-optimierten Wohnraum anbieten zu können oder das Aufladen von Elektroautos zu gewährleisten. Insgesamt zeichne sich ein Erfolg versprechendes “Partnering” durch die Ergänzung der eigenen Kompetenzen durch Fähigkeiten der Partner aus.

“Wegen der hohen Bedeutung von Informationen benötigen Energiedienstleister hierzu eine leistungsfähige IT-Infrastruktur, die Daten sammelt, verarbeitet und sie allen Partnern zur Verfügung stellt”, sagte Rieger. Detecon empfiehlt offene und breit angelegte IT-Plattformen, die möglichst viele Schnittstellen für B2C- und B2B-Geschäftsmodelle anbieten. Es hätten sich bereits Anbieter im Markt positioniert, die solche Plattformen bauen und betreiben.

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Auf ein ganz anderes Hindernis für die Smart-Grid-Einführung wies Ende Januar das US-amerikanische Government Accountability Office (GAO) hin, ein Kontrollorgan des Kongresses, ähnlich dem Bundesrechnungshof. Laut seinem Bericht fehlen wichtige Sicherheitsmaßnahmen.

Die Kraftwerksbetreiber erfüllten nur die minimalen gesetzlichen Anforderungen, ohne sich adäquat gegen Cyberangriffen zu schützen. Bestimmte intelligente Strommesser würden nicht als Teil einer wirksamen Sicherheitsarchitektur von Stromnetzen konstruiert. Ihnen fehlten wichtige Funktionen wie das Logging von Systemereignissen oder forensische Funktionen zur Erkennung und Analyse von Cyberattacken. Dasselbe gelte auch für Heimnetzwerke, die den Stromverbrauch von häuslichen Anwendungen regeln.

“Ohne auf Sicherheit ausgelegte Smart-Grid-Systeme gehen Stromversorger das Risiko ein, mögliche Angriffe nicht erkennen und analysieren zu können. Das wiederum erhöht das Risiko, dass solche Angriffe Erfolg haben und die Stromversorger keine Chance bekommen, eine Wiederholung zu verhindern”, heißt es.

Die Autoren kritisieren auch das System der Eigenverantwortung in der Branche. Die Betreiber kümmerten sich nur um die minimalen gesetzlichen Anforderungen. Das zuständige National Institute of Standards and Technology (NIST) “hat keinen festen Plan oder Zeitplan mit festen Meilensteinen für die Aktualisierung und Überarbeitung seiner Richtlinien zur Computersicherheit, um eine Lösung für die wichtigen fehlenden Elemente zu erarbeiten”, stellen die Autoren fest. Insbesondere habe das NIST keine Lösung für das Risiko von kombinierten Attacken mit computertechnischen und physischen Mitteln.

“Die Federal Energy Regulatory Commission (FERC) hat keinen Plan, wie sie in Absprache mit anderen Regulierungsbehörden kontrollieren kann, wie weit die Industrie den Standards, die sie für Smart Grids aufstellt, auch tatsächlich folgt”, steht in dem Bericht. “Die freiwilligen Standards und Richtlinien, die von der NIST und FERC erarbeitet werden, sind vielversprechend. Ein freiwilliges Vorgehen stellt aber im Zusammenhang mit Smart-Grid-Investitionen ein Risiko dar. Das gilt ganz besonders, wenn man die starke Fragmentierung der gesetzlichen Kompetenzen gegenüber der Strombranche betrachtet.”

In Kommentaren zu dem Bericht, die im Anhang zu finden sind, erklärt das US-Handelsministerium (Department of Commerce), das die Aufsicht über das NIST hat: “Das NIST stimmt zu, dass das Risiko von kombinierten Cyber- und physischen Attacken auf Smart Grids ein Gebiet ist, das in Zukunft genauer untersucht werden sollte”.

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Silicon-Redaktion

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