CeBIT Tag 1: Guttenberg statt Cloud
Zum Auftakt der CeBIT herrscht in diesem Jahr strahlender Sonnerschein – abgedroschene Wortspiele zum Messe-Topthema Cloud und Hannover wären also fehl am Platz. Was aber nichts daran ändert, dass Cloud Computing in diesem Jahr in jeder Messehallen-Ecke zu finden ist. Allen voran Microsoft will Deutschland zur führenden Cloud-Nation Europas machen.
Bereits einen Tag vor dem offiziellen Messestart hatte Microsoft zu seiner Hauptpressekonferenz geladen, um die Ziele des Konzerns zum Thema Cloud abzustecken: “Wir haben die Chance, Deutschland zur führenden Cloud-Nation in Europa zu machen”, sagte Microsofts Deutschlandchef Ralph Haupter und präsentiert im Anschluss eine vorläufige Zwischenbilanz dieser Ambitionen.
“Cloud Services sind ein Schlüssel zur Lösung vieler gesellschaftspolitischer Herausforderungen, von der Demographie über das Gesundheitswesen bis hin zur offenen, effizienten Verwaltung. Wir wollen deshalb der Tempomacher für Cloud Computing sein.”
Dabei sollen auch Partnerschaften helfen: Mit der Deutschen Post arbeitet Microsoft laut Haupter aktuell an einer Zusammenarbeit im Bereich E-Postbrief. Er soll in Microsofts Office-Produkte und vor allem in Outlook integriert werden. Erste Zielgruppe unter den Geschäftskunden für die Wolken-Briefe ist die öffentliche Verwaltung.
Speziell um das Thema Private Cloud weiter zu stärken, wird Microsoft außerdem die Zusammenarbeit mit T-Systems ausbauen. Erst vergangene Woche hatten beide Konzerne angekündigt, für Shell eine Mega-Cloud zu bauen. Dies sei bereits ein Vorbote der jetzigen Ankündigung gewesen, so Haupter, der auch ausdrücklich den “Datenschutz Made in Germany” als Merkmal der Zusammenarbeit hervorhob.
Andere Cloud-Anwendungsbeispiele zeigten beispielsweise, wie die Azure-Plattform dabei hilft, die ARD-Vorabendserie “Verbotene Liebe” zu produzieren, oder wie sich via Windows-Phone-7-Gerät das Elektroauto in der Garage verwalten lässt. Ralph Haupter warnte davor, den Cloud-Trend zu unterschätzen: “Nicht wenige haben vor 120 Jahren die Erfindung des Automobils unterschätzt – wir sollten diesen Fehler beim Thema Cloud nicht machen. Cloud-Services sind ein Schlüssel zur Lösung vieler gesellschaftspolitischer Herausforderungen, von der Demographie über das Gesundheitswesen bis hin zur offenen, effizienten Verwaltung.”
Um entsprechende Innovationen zu fördern, stellte Haupter die gesellschaftliche Initiative “Chancenrepublik Deutschland” vor. Im Rahmen der Initiative will Microsoft in den kommenden drei Jahren mindestens 30 Pilotprojekte unterstützen, die zeigen, wie innovative IT-Lösungen einen gesellschaftlichen Fortschritt bewirken. Mit dem “Talentmobil” Berlin und dem Caritas-Projekt “Computer für alle” aus Mainz wurden die ersten Projekte vorgestellt. Den offiziellen Startschuss gab einen Tag später Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen ihres Eröffnungsrundgangs auf der CeBIT.
Ein Rundgang der – obwohl er jedes Jahr so oder so ähnlich stattfindet – keine Routineveranstaltung war. Als Merkel kurz nach zehn Uhr am IBM-Stand erschien, wirkte sie zerstreut: IBM-Chef Sam Palmisano zeigt den Prototyp eines von IBM entwickelten 3D-Chips mit Wasserkühlung. “Das ist ein Rechenzentrum auf einem Chip. Er benötigt 90 Prozent weniger Strom als gegenwärtige Technik.” Merkel fragt: “Sie haben das von Intel übernommen?” Gelächter im Publikum und Palmisano antwortet: “Nein, dieser hat viel mehr Vorteile.” Hauptsache, er verbrauche weniger Strom, sagt Merkel und rettet damit die Situation. Auf ein Duell mit IBMs Supercomputer Watson verzichtet sie höflich lächelnd.
Rund eine Stunde später kommen die ersten Eilmeldungen, wonach der Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unmittelbar bevorsteht – kurz danach steht sein Rückzug fest. Und es ist auch endgültig klar, warum Angela Merkel den CeBIT-Rundgang am Morgen für fünf Minuten unterbrochen hatte, um – etwas abseits ihrer Entourage – ein “wichtiges Telefonat” zu führen. Den Rest des Vormittags war Guttenbergs Rücktritt wegen der Plagiatsaffäre das Small-Talk-Thema auf der CeBIT. Zumindest für kurze Zeit wurde die Cloud in den Hintergrund gedrängt.