WikiLeaks-“Informant” droht Todestrafe
In der WikiLeaks-Affäre gibt es zwei wichtige Gefangene: Julian Assange und Bradley Manning. Die Öffentlichkeit konzentriert sich auf Assange. Der steht zwar in Gefahr, nach Schweden ausgeliefert zu werden – im Vergleich zu Manning lebt er aber in Saus und Braus. Denn Manning sitzt in einem US-Gefängnis und ist von der Todesstrafe bedroht.
Das US-Militär hatte den damals 22-jährigen US-Soldaten Bradley Manning im Juni 2010 verhaftet, weil er mutmaßlich geheime Informationen an WikiLeaks weitergegeben habe. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Manning soll der Enthüllungsplattform jenes Video zugespielt haben, in dem US-Soldaten aus einem Kampfhubschrauber auf unbewaffnete Iraki schießen.
Im Juli 2010 wurde Manning offiziell wegen Verrats angeklagt. Ihm werden Verstöße gegen den Uniform Code of Military Justice zur Last gelegt. Anfang März 2011 fügte das US-Militär der Anklage 22 weitere Punkte hinzu.
Nunmehr wird Manning auch vorgeworfen, dem Feind geholfen zu haben – wofür laut US-Militärstrafrecht die Todesstrafe verhängt werden kann. “Feind” definiert das Militärrecht nicht nur als einen Gegner in Kriegszeiten, sondern auch als feindlich gesinnte Parteien, Zivilisten und Mitglieder militärischer Organisationen.
In seinem Twitter-Feed weist das US-Verteidigungsministerium darauf hin, dass es sich bei einem der Anklagepunkte um ein Schwerverbrechen handle, das mit dem Tode bestraft werden könne. Wie CBS News unter Berufung auf einen Militärankläger berichtet, fordere man für Manning aber “nur” eine lebenslange Haftstrafe. WikiLeaks bezeichnete das Vorgehen des US-Militärs auf Twitter als einen Racheakt. Grund dafür sei, dass Manning von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache.
Bislang ist es der US-Justiz nicht gelungen, eine direkte Verbindung zwischen WikiLeaks-Gründer Assange und dem vermeintlichen Informanten Manning nachzuweisen. Beweise dafür, dass WikiLeaks Unterlagen von dem Soldaten erhalten hat, gibt es bisher nicht. Das gilt für das Video des Hubschrauber-Angriffs in Bagdad, die sogenannten Afghanistan- und Irak-Kriegstagebücher und die Geheimdokumente von US-Diplomaten, die WikiLeaks veröffentlicht hatte. Manning hatte zwar Tausende Dokumente auf seinen Rechner geladen, ob sie aber von dort zu WikiLeaks gelangten, konnten die Militärs nicht belegen.
Bisher war die US-Justiz bei ihren Ermittlungen gegen Manning und Assange davon ausgegangen, dass zwischen Manning und Assange ein direkter Kontakt bestand. Der WikiLeaks-Gründer hatte dies stets bestritten. “Ich habe den Namen Bradley Manning nie gehört, bevor er in den Medien aufgetaucht ist”, sagte Assange im Dezember in einem Interview mit MSNBC. Assange bezeichnete Manning als einen “politischen Gefangenen”. “Wenn wir den Anschuldigungen glauben, hat dieser Mann aus politischen Gründen gehandelt. Er ist ein politischer Gefangener in den Vereinigten Staaten – ohne Prozess, und das seit sechs oder sieben Monaten.” Mannings Haftbedingungen hätten sich immer weiter verschlechtert. “Sie versuchen, ihn unter Druck zu setzen, um gegen mich auszusagen. Das ist ein ernstes Problem.” Es sei jedoch “kompletter Unsinn”, Manning als Zeugen zu benutzen.
Im Dezember wurde auch berichtet, Mannings Haftbedingungen in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Virginia kämen einer Folter gleich. Manfred Nowak, UN-Sonderberichterstatter für Folter, habe eine entsprechende Beschwerde erhalten, sagte sein Sprecher Xabier Celaya der Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Demnach berichteten Besucher, dass Manning täglich 23 Stunden allein in einer Zelle verbringen müsse. Zudem soll er weder über ein Bettlaken noch ein Kissen verfügen. Das US-Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher der Marine sagte gegenüber AP, man kümmere sich darum, dass Manning “sicher, geborgen und bereit für den Prozess” sei.
Im Januar 2011 kritisierte Amnesty International (AI) die Haftbedingungen und warf der US-Regierung eine “unmenschliche Behandlung” des Soldaten vor. Obwohl er nicht verurteilt sei, werde Manning inhumanen Haftbedingungen ausgesetzt, sagte Susan Lee, Direktorin des Amerika-Programms von AI. “Wir sind besorgt, dass die Bedingungen unnötig hart sind. Das Militär scheine alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um ihn zu bestrafen, solange er in Haft ist.” Das untergrabe die Unschuldsvermutung, zu der sich die USA bekannt hätten. Nach Informationen von AI werde Manning alle fünf Minuten im Schlaf gestört und künstlich wach gehalten, da er selbstmordgefährdet sei. Zuletzt seien ihm bis auf die Unterwäsche zeitweise alle Kleidungsstücke abgenommen worden.
Die Proteste gegen die Haftbedingungen häuften sich, 30.000 Menschen unterzeichneten eine Online-Petition zur Unterstützung des mutmaßlichen WikiLeaks-Informanten. Ende Januar lockerte die US-Armee teilweise die Haftbedingungen. Armeevertreter erklärten, Manning werde nun wie jeder andere Gefangene im Hochsicherheitstrakt behandelt. Er sei 23 Stunden am Tag in seiner Zelle, dürfe Bücher lesen und eine Stunde täglich fernsehen.